Sommer.

Es gibt Sommer, es gibt miese Sommer, und es gibt Jahrhundertsommer.
Wir haben einen Jahrhundertsommer. Das schon bei 18% ( für Mathegenies: auf das Jahrhundert bezogen) der zur Verfügung stehenden Zeit so genau zu wissen, ist schon beeindruckend. Da haben doch einige Medien tatsächlich ihre Glaskugel aus dem Schrank gekramt und lassen uns alle an ihren seherischen Fähigkeiten teilhaben.
Wann ist ein Sommer denn eigentlich ein Jahrhundertsommer? Und ist 2018 wirklich wärmer als 2003, der erste Jahrhundertsommer dieses Jahrhunderts, und sprechen wir weiter in der Superlative und werden etwas genauer, handelte es sich eigentlich ja um einen Jahrtausendsommer.
Einigen wir uns darauf, es war wirklich warm in diesem Jahr.
Es fing früh an, schon im April, und es ging durchweg heiß und trocken weiter, bis zum Ende September.
Wir hatten die meisten Wald- und Flächenbrände in diesem Sommer, und wenn es nicht die Hitze war, die Feuer unterstützt hatte, hat die Bundeswehr ihr übriges dazu getan. Jetzt brennt ein Moor im Emsland, ganz ohne Zutun des Sommers.
Warum nur empfinden wir durchgängige Sonnenstrahlen als etwas so Außergewöhnliches. Erinnere ich zurück, war es normal in meiner Kindheit, ab Anfang Mai in Röcken und T-Shirt in die Schule zu gehen. Manchmal gab es morgens noch eine Strickjacke dazu, aber die sorgte immer eher für Diskussionen, denn Anfang der 80er hatte so eine Strickjacke noch keinen modischen Charakter und war eher bieder und langweilig.

Früher war ein Sommer halt ein Sommer, und wenn es zu heiß war, gab es auch mal ein Gewitter.
Unser Problem ist nur, dass durch die Klimaerwärmung, oder wie Hr. Trump sagen würde, das Gerücht über eine Klimaerwärmung, und durch das chaotische Wetter der letzten Jahre, nichts mehr so ist, wie es sein sollte.
Winter sind zu warm und haben keinen Schnee mehr, und Sommer sind verregnet.

Und wenn es dann doch einmal richtig warm wird, dann flippen gleich alle aus, anstatt die grandiose Vitamin D- Zufuhr zu genießen und aufzutanken. Nach dieser doch etwas desaströsen WM-Teilnahme hat dieser Sommer trotzdem unsere Wirtschaft, und die Wirtschaften, angekurbelt. Grillfleisch und Bier wurden in großen Mengen konsumiert. Gut, das bringt vermutlich wieder die Veganer und Vegetarier auf die Bühne, aber ich bin sicher, Tofu, Grillkäse und Gemüse ließen sich für die, die es mögen, auch gut grillen.
Alles Schöne hat einmal ein Ende, und dieser Sommer tat dies mit einer Inszenierung, die heftiger nicht hätte arrangiert werden können.

Endzeitstimmung.

Gerade noch 29° und nächtliches Geschwitze, da sind der Mann und ich bibbernd bei offener Terrassentür letzte Nacht aufgewacht, weil wir zu Eisklötzchen gefroren waren, da half kein Extremkuscheln und kein Aneinandergeklebe, da gab es nur eins: Tür zu, mehr Decken her!

Was allerdings am nächsten Morgen stattfand, hatte eher etwas mit einem Weltuntergang zu tun, so wie ich ihn mir vorstellen würde, wenn ich müsste. Abgesehen von den plötzlich einstelligen Temperaturen, verfärbte sich der Himmel schwarz und es stürmte und regnete als gäbe es einen Knopf für Hurricane ähnliche Herbststürme, der gerade versehentlich gedrückt und noch einmal mit einer kleinen Portion Tornado versehen worden wäre. Dazu Dauerregen. (gerade waren alle Fenster blitzeblank geputzt (externer Profi))

Von einer auf die andere Minute war alles anders, und es stürmte durch die Bäume, Äste krachten ab und das trockenen Sommerlaub fegte mit spannender Geschwindigkeit waagerecht, von rechts nach links, an meinem Fenster vorbei. Da halte ich es mit Rudi Carell: Wann wird´s mal wieder richtig Sommer….

Ich will den Sommer zurück!

Ihr Fräulein Lindemann

 

Wenn auf Capri…

Wie geht es noch gleich weiter? Ach ja, … die rote Sonne im Meer versinkt…. Ich höre den Mann neben mir sagen: Rudi Schuricke war doch niemals auf Capri…!
Aber wer weiss das schon so genau.
Wir, der Mann und ich, sind im Urlaub. Und wie Sie es sich sicherlich gerade denken können, Fräulein Lindemann ist zurück!
Aber in etwas abgespeckter Version, von nun an nur noch zu jedem 1. des Monats. Das ist einfach zu merken.

Ich sitze gerade auf der Terrasse unseres Urlaubhotels und schaue weit in die Ferne. Da das Hotel in den Bergen liegt, erschließt sich mir ein Blick über das Mittelmeer, genauer die Costiera Amalfitana, mit Blick auf Ischia, Sorrento, Neapel, Capri und den Vesuv.
Phantastisch, genau wie der vor mir stehende Aperol Spritz. Den benötige ich auch um das sonderbare Verhalten unserer Mitgäste zu ertragen.

Wir haben hier Luigi, ich nenne die Protagonisten jetzt einfach mal bei ihren theoretischen Namen, also Luigi, dunkelbraun gebrannt und in eine weisse Calvin Klein Badehose geschossen, die vermutlich für einen 10-Jährigen gedacht war und wirklich wenig verhüllt und sehr eng ist, trägt brav sein Goldkettchen um den Hals, um entweder wirklich alle Klischees zu bedienen, oder vielleicht auch nur, weil es sich schon in seine Haut eingebrannt hat.
Luigi ist vorhin geschwommen, hat sich bei all seiner Coolness am Poolwasser verschluckt und danach gefühlte Stunden seine Nase gereinigt.
Im Pool.
Selbst dem Mann ist das aufgefallen, so dass er nur kurz über sein Buch hinweg schaute und sagte, so langsam müsse die Nase doch wohl sauber sein.
War sie nicht, und es ging weiter.
Ich kann erst wieder in den Pool steigen, wenn ich den Chlorgehalt erfahren habe, um einzuschätzen, in wie weit mir Luigis Naseninhalt etwas anhaben könnte, denn alleine bei dem Gedanken merke ich, wie sich mein Magen lautstark zu Wort meldet.
Fast genauso wie gestern, als der Mann und ich einen Jachtausflug auf die Insel Capri gemacht haben.
Zuerst rebellierte mein Magen, weil er sich mit der Bootsschaukelei am Morgen, dem Benzingestank und der Sonne auf meinem Kopf, nicht anfreunden wollte, und später, als ich Fuß- bzw Nagelstudien der mitreisenden Personen auf dem Boot betreiben konnte.
Leider bin ich da wie ein Hase vor der Flinte. Oder war es ein Reh?
Auf jeden Fall kann ich nicht wegsehen.
Ich bin paralysiert.
Nicht nur nicht hinschauen geht, nein, genauer gesagt, fange ich an, nur und ausschließlich genau dort hin zu starren, und ich schaffe es nicht mehr, mich oder meine Augen wegzudrehen.
Alleine der Gedanke daran verursacht mir eine Gänsehaut, denn neben dem Mann und mir lag im vorderen Teil des Bootes unter anderem eine amerikanische Familie mit einem wirklich richtig, richtig dickem Teenagermädchen, vielleicht 14 Jahre alt, in einen neongelben Badeanzug gesteckt mit dem Aufdruck: Tequila Sunrise. Die Eltern, (bleiben wir bei erfundenen Namen) Bobby und Sue Ellen, sahen recht gepflegt aus, Sammy Joe, abgesehen von ihrer Adipositas, auch.
Bobby und seine Frau waren Mitte bis Ende 40, hatten beide einen gepflegten Haarschnitt, gepflegte Fingernägel, und … oh nein: ich stupste den Mann an um ihm meine Entdeckungen zu zeigen. Unfassbar. Die Fussnägel. Bobbys Fußnägel, die wären mir persönlich schon vor 3 Monaten schon viel zu lang gewesen, aber die Hornhaut, die roten Risse an den Fussinnenseiten und der Wunsch des großen Onkels, sich komplett von seinem Nagel zu trennen, waren noch nicht die vollständigen podologischen Höhepunkte. Seine Frau nämlich hatte ihren Nagelpilz einfach mit blauem Nagellack übermalt, auch vor Wochen schon, sodass nur noch ein kläglicher Rest davon auf vereinzelten Zehennägeln übrig war.
Leider. Und leider musste ich angeekelt weiterstarren.
Irgendwann kam endlich meine Ablenkung.
Der männliche Teil eines älteres amerikanisches Ehepaares, J.R., das ebenfalls an unserer Bootstour teilnahm, und bei dem nicht zu jedem Zeitpunkt unseres Bootsausfluges klar war, ob sie ihren Lebenszyklus nicht doch in Italien beenden würden, war auch schmerzfrei. Also nicht nur im übertragenen Sinne. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass Fussnägel, die schon um die Zehenspitze herum wachsen, in Richtung Fusssohle, einen nicht im täglichen Leben beeinträchtigen, wie beim Laufen in festem und geschlossenem Schuhwerk. Das muss doch weh tun!?!

Die junge Frau neben mir jedoch, Pamela, etwa 30 Jahre alt, legte unglaublichen Wert auf ihr äusseres und darauf, direkt nach unserem Schwimmen im Meer, sofort das Chanelpuderdöschen hervorzukramen, und die etwas unreinen Bereiche in ihrem Gesicht zu überdecken und ihre Frisur in Form zu bringen. Ihre Füsse jedoch waren ihr wie auch J.R., Bobby und Sue Ellen, fremd und keinen Aufwand wert, sie waren unter den angerissenen und angeknabberten Fussnägeln wirklich richtig schmutzig.
Der Mann schaute mich an und grinste.
Es schien also noch mehr zu entdecken zu geben.
Es gab.
Im 21. Jahrhundert muss sich der Schambereich einer Frau echt nicht bis zur Mitte des Oberschenkels hinziehen. Ich will niemandem etwas vorschreiben, und ob sich jemand komplett rasiert, sich wachsen lässt oder seinen Haaren durch eine Frisur Einhalt gebietet, muss am Ende des Tages jeder selbst entscheiden, das ist Geschmacksache. Jedoch für alles, das nicht durch ein Bikinihöschen oder einen Badeanzug verdeckt wird, trägt man schon etwas Verantwortung, sei es, dass man lange Hosen zum Baden trägt oder irgendwie andere Möglichkeiten findet, andere vor offensichtlichen Einsparungen bei Rasierern, Scheren, Hautarzt und Pediküre, zu schützen.
Ich möchte nur Informationen, die mich wirklich etwas angehen. Das ist übrigens auch am Pool so.
Der Mann und ich diskutieren gelegentlich über die Lautstärke beim Sprechen. Also unsere eigene. Nun ja, er sagt, ich sei zu leise und ich empfehle ihm einen Besuch beim HNO. In unserem Hotel, zu 80% von Amerikanern, zu 17% von Briten und zu 2% von Deutschen besucht( 1% Italiener), lerne ich, dass Rücksichtnahme etwas völlig überbewertetes ist, denn es ist Miss Ellie, Alexis, Jock, Blake und co völlig egal, ob sie halb Sorrento beschallen, wenn sie miteinander reden.
Ich rufe gleich mal meinen Friseur an und werde einen neuen Termin ausmachen, laut genug werde ich auch sein, dass es bloss keine Missverständnisse gibt.

Das werde ich natürlich nicht, denn ich kann nicht aus meiner Haut.

Der Mann hat gerade gesagt, dass er froh ist, dass ich so bekloppt bin…
War das ein Kompliment?

Ihr Fräulein Ewing

 

Ferien.

Die Idee zu “Fräulein Lindemann” ist nun schon weit über 2 Jahre alt.
Den ersten Beitrag, also die erste Veröffentlichung, gab es am 1. Dezember 2016, das sind nun schon 1,5 Jahre her, in denen ich Woche für Woche vom Leben, speziell von meinem Leben, schreibe.

1,5 Jahre sind eine lange Zeit, in denen es insgesamt 86 Beiträge in die Öffentlichkeit geschafft haben. Einige waren besser als andere, einige lustig, andere traurig, es gab Liebeserklärungen ans Leben, an meine Freundinnen und an den Mann. Es gab kritische Worte, und belanglose.

Ist es Zeit für neue Projekte?

Vielleicht.
Aber auf jeden Fall ist es Zeit für eine Pause.
Vielleicht eine kleine Sommerpause, aber vielleicht auch eine etwas Längere.
Das wird der Sommer zeigen, und die Größe meiner Sehnsucht, Menschen und das Leben zu betrachten und alles zu teilen.

Vielleicht ist ein Wochenrhythmus zu viel, vielleicht ist ein Monatsbeitrag ausreichend.
Wir werden es sehen.

Erst einmal möchte ich mich bei Ihnen, meinen Lesern, bedanken.

Es war eine großartige Zeit, ein Herzenswunsch und hat mir unglaublich viel Spaß gemacht.

Danke!

Ihr Fräulein Lindemann

 

Summer in the City.

Dieses Jahr sind wir direkt von einer abgeschwächten Version des Winters, mit Highspeed und Getöse, in den Sommer gerutscht.
Anders kann man die derzeit herrschenden 30°C im Mai wohl nicht beschreiben.
Es ist purer Sommer.

Allerdings schwingt auch in jeder Sonnenminute die Angst mit, es könne ganz schnell vorbei sein mit der Vitamin-D-Zufuhr, und diese schnellstens abgelöst werden könnte von Unwettern, Regen und des rapiden Absinkens der Temperatur auf unsommerliche, im Zehnerbereich befindliche Bereiche.

Das ist wohl typisch für uns. Wir genießen nicht den Moment, sondern verfallen schon in schlechte Laune und Panik, nur wegen der hypothetischen Möglichkeit unserer Wetterzukunft könne anders als die Gegenwart ausfallen, obwohl die noch in den Sternen steht.

Der überraschend gekommene Sommer bringt nicht immer die besten Dinge zum Vorschein.
Anfang der Woche in Berlin landend, bekam ich erst einmal den Missmut eines offensichtlich schon länger in der Sonne wartenden Taxifahrers ab. Jetzt kann man sagen, es kommt oft vor, dass Berliner Taxifahrer mürrisch sind, und dieses Verhalten nicht unbedingt in Abhängigkeit zu der Außentemperatur steht, aber es gibt immer noch eine Steigerungsmöglichkeit.

Ja wohl.

Ich hatte wenig Zeit, nach dem ich irgendwann in meinem Hotel angekommen war und mich erst einmal etwas in meinem Zimmer abkühlen musste, somit machte ich mich schnell auf den Weg zu meiner Verabredung, genoss dann die Sonne, einen wunderschönen Hinterhofgarten und einen Melonenshake und kam auf die absonderliche Idee meinen Weg zurück zu Fuß anzutreten. Google sagte mir, das seien zu Fuß 3,9 km.
Allerdings wusste Google nicht, dass 3,9 km sehr lang sein können bei 33° C und stehender Luft.

Der Sommer in Berlin ist großartig, alles ist entschleunigt, alles verläuft in Zeitlupe.

Die Cafés sind gefüllt mit Menschen, die ihre Zeitungen lesen, ihre Kaltgetränke einnehmen, chillen oder telefonieren. Alles ohne Hektik.

Die hohen Gebäude strahlen am Abend noch die Hitze des Tages ab, die Welt spielt sich überall auf den Straßen ab, die Sommermode ist abenteuerlich und hat ihren eigenen Charme, hinzukommt, dass nicht alle nicht mit Stoff bedeckten Körperteile, ideal auf ihre sommerlichen Präsenzen vorbereitet sind.

Der Sommer ist berauschend, alles wächst farbenprächtig und das Grün ist noch wirklich grün. In wenigen Wochen wird es gelblich, an Stellen ausgedörrt und seine volle Leuchtkraft verloren haben.
Der Sommer riecht phantastisch, es ist Zeit für eisgekühlten Rosé und die Cocktails schmecken fruchtiger. Berlin hat sich von seiner schönsten Seite gezeigt, gab allerdings nichts auf den Abschied.

Am Flughafen, mit 50 anderen Gästen zusammen in einen Bus gepfercht, mussten wir feststellen, wie warm es doch bei bestimmten Außentemperaturen in einem Bus werden kann.
Schweißperlen entwickelten sich auf meiner Oberlippe und auf meinem Rücken mit Abwärtstendenzen. Ein leicht säuerlicher, strenger Geruch machte sich im Bus breit. Und der Wunsch nach Menschen, die ihren Arm nicht hoben um sich an den dafür vor gesehenen Haltegriffen fest zu halten, wurde immer größer.

Wir standen gefühlte Stunden in der prallen Sonne- und der Motor lief nicht.

So muss sich ein Schwein im Viehtransporter auf der Autobahn im Stau fühlen. Grauenvoll.
Ich wünschte mir sehnlichst das Sitzen im klimatisierten Flieger herbei, den Wunsch laut auszusprechen war nicht mehr möglich, mein Mund fühlte sich an wie die Wüste Gobi.

Irgendwann saß ich tatsächlich im Flieger, bei der Landung regnetet es ein wenig, und ich konnte mich nicht entscheiden, ob es mich freuen sollte oder ich schon wieder mit Wehmut an die Hitze dachte.

Wir sind halt nie zufrieden…

Ihr Fräulein Lindemann.

 

Glück.

Was macht uns glücklich?

Die Werbung verspricht da ja so Einiges.

Butter macht glücklich, Gummibärchen ebenfalls. Für das besondere Glück hilft auch die ein oder andere Limonade, gerne auch Gel-Aktiv-Einlegesohlen für die Schuhe.

Selbst Car-Glas und die DB machen glücklich, ach halt, Immodium Akut kann das unter Umständen auch…

Aber was ist es wirklich?
Was löst Emotionen aus, Emotionen, die Endorphine in unserem Körper losschicken, und die uns augenscheinlich glücklich machen?

Lassen wir uns in Glücks-Gruppen einteilen; die Gruppe, die durch körperliche Leistung wie Sport oder Sex glücklich wird, die, der eine neue Handtasche oder ein Paar neue Schuhe, oder ein Sportwagen zum unverhofften Glück verhelfen, oder macht uns das Zusammensein mit bestimmten Menschen einfach überglücklich, oder das Alleinsein.

Mich machen viele Dinge glücklich, manchmal vergesse ich das nur.

Das heißt, ich bin glücklich, realisiere diesen Zustand aber gar nicht richtig, denn Glück muss nicht immer nur eine auffallende Momentaufnahme sein, sondern schafft es durchaus auch, ein länger andauernder Zustand zu sein und über den kurzen Moment hinaus zu gehen.

Es macht mich glücklich, wenn nichts weh tut.
Klingt komisch? Aber seit einiger Zeit tut immer etwas weh. Dieses Glück ist aber nur recht kurz, dann wenn ich aufwache und ich mich bewegen kann, ohne Einschränkung, ich mich nicht erst Drehen und Recken und Strecken muss, in der Hoffnung irgendetwas findet zurück an seinen Platz, dann ist der Glücksmoment schon fast weder vorbei und mein Tag beginnt.

Ich verwechsle dieses Gefühl nicht mit Dankbarkeit, nein.

Glück bedeutet eine außerordentliche Form der Zufriedenheit, nur haben wir verlernt zufrieden zu sein, und diesen Zustand länger zu konservieren als nur für einen kurzen Augenblick.

Alles ist hektisch, die Medien nehmen immer weiter eine größerer Präsenz ein, Elektronik auch. Alles dreht sich um Telefone und um: höher,weiter, schneller.

Früher lag das Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde. Vielleicht etwas vermessen, vielleicht nicht mehr zeitgemäß, sicherlich in unserer heutigen Zeit auch diskriminierend denn nicht jeder kann reiten, und vielleicht ist das Pferd auch nur ein Synonym für einen Zustand, der uns von uns selbst und unseren Problemchen ablenkt.

Ein Zustand, der beinhaltet sich sogar auf ein anderes Lebewesen zu konzentrieren und nicht auf uns selbst oder etwas, das sich im Internet oder unseren Smartphones abspielt. Etwas Pures, bei dem man sogar noch die Natur genießen kann, sofern man mit dem Pferd ins Gelände reitet. (um bei diesem Beispiel zu bleiben)

Hat aber unsere Gesellschaft überhaupt Platz für glückliche Menschen?

Gehen wir durch die Stadt und werden freundlich angelächelt, sehen wir versonnen lächelnde Menschen ihres Weges gehen, was denken wir? Sonderbar betreten schauen wir weg, oder amüsieren uns, hoffen nicht reagieren zu müssen und runzeln die Stirn.

Unsere Gesellschaft jedoch ist offen und bereit für die Unglücklichen, die, die immer unzufrieden sind, denen nichts recht zu machen möglich erschein, die Nörgler, die Traurigen.
Ja mit denen können wir umgehen, je mehr genörgelt wird, desto gesellschaftsfähiger sind wir, und desto mehr wahrgenommen.

Niemand traut sich sein Glück zu teilen, andere daran teilhaben zu lassen. Wir stapeln mit unserem Gemütszustand eher tieft, als dass wir andere teilhaben lassen und uns wohlmöglich noch erklären müssen. Manchmal ist glücklich zu sein als Gemütszustand nicht akzeptiert.

Wir brauchen wieder Bilder, die wir in unseren Gedanken abrufen können, und die wieder dieses pure Glück ausmachen.
Wir brauchen mehr Sensibilität, auch die kleinen Momente groß werden zu lassen.

Ich sitze gerade am Flughafen, nichts tut weh, ich werde den Mann in ca. 5 Stunden wiedersehen und ich denke an das Spaghettieis meiner Kindheit, und mir läuft das Wasser im Mund zusammen.

Kann es einen besseren Moment geben?

Ihr Fräulein Lindemann

 

Fütterung.

Ich kann mich noch gut an meine früheren Zoobesuche erinnern.
Der letzte war mit meinem Patenkind im Berliner Zoo, und als Kind ist mir der Allwetterzoo in Münster noch ganz fest in Erinnerung, ebenso wie das Buch aus dem Zoo in Münster, das mit meinem Namen, dem meines Lieblingscousins und meiner damals besten Freundin versehen, „unseren“ Tag im Zoo erzählte.

Was hat Ihnen im Zoo immer am besten gefallen? Sicher nicht die gestörten Raubkatzen, die lethargisch am Gitter auf und ab schreiten, oder die Streichelwiese mit den Ziegen und Böckchen, die sobald man nichts mehr zu Essen hatte, angefangen haben, einen mit ihren Hörnern zu schubsen.

Das beste für mich waren immer die Fütterungen, und am liebsten bei den Pinguinen.
Der Tierpfleger kam in den Außenbereich mit einem riesigen Eimer voller kleiner Fische und war plötzlich der heißbegehrteste Mann des Tages.

Die kleinen Kerle haben sich gegenseitig weggeschubst, sie haben gedrängelt, denn jeder von ihnen wollte einen kleinen Snack ergattern. Nichts war geordnet, und an eine Reihenfolge war nicht zu denken. Alle lebten nach der Devise: First come- first get!
Wenn es ums Essen geht, drehen alle plötzlich durch.
Nur Pinguine? Und nur beim Essen?
Letzte Woche war ich mit meiner Freundin zu einem Abendshopping-Event in einem exklusiven Outlet- Store eingeladen.
Also eigentlich war sie eingeladen, aber sie hat mich netterweise mitgenommen.
Es sollte Jazzmusik, einige Kaltgetränke und kleine Snacks geben.
Wir reden hier von einem Designer-Outlet Store, das bedeutet, dass dort Leute hingehen, von denen man irrtümlicher Weise annehmen würde, dass es sich nicht um Neandertaler handelt, noch dazu nicht um solche, die neben ihres mangelnden Benehmens und ihrer plötzlich aufkommenden Rücksichtslosigkeit, auch nicht an Hunger oder Unterernährung leiden würden.

Wir, meine Freundin und ich, hatten uns eine rollende Kleiderstange besorgt, an die wir unsere Sale-Beute hängten um alles am Schluss anzuprobieren und eventuell, aber nur ganz vielleicht, einiges davon mit nach Hause zu schaffen.
Was wir dann erleben mussten, war wirklich sehr frech und außergewöhnlich dreist und unverschämt. Neue Teile hingen plötzlich an unserer Kleiderstange. Teile, sehr hässlich und viel zu groß.
Andere, von uns ausgesuchte Stücke, waren auf einmal weg, einfach fort, weil sich fremde Menschen an unseren Fundstücken erfreuten und sie, klauen kann man wohl nicht sagen, da es sich nicht wirklich schon um unseren Besitz handelte, einfach entfernten.
Wir waren empört.
Manieren existierten einfach nicht mehr. Wie die Pinguine zur Fütterung lungerte diese Meute (Münchner Schicki-Micki) plötzlich am Bistro-Küchenausgang herum, aus dem in regelmäßigen Abständen der Häppchennachschub auf kleinen Tabletts herausgetragen wurde.

Da wurde sich in den Mund gestopft was hineinpasste, und zusätzlich wurden weitere Amuse- Gueule in den Händen davongetragen. Man kann ja nie genug bekommen, wenn es doch umsonst ist.

Am Getränkestand wurde sich vorgedrängelt, und man hätte denken können, dass es nie wieder Alkohol auf Erden geben würde. Nie wieder.
Es wurde auch in den Gängen geschubst, Kabinen wurden vor der Nase weggeschnappt, und manche Damen haben unhöflich geboxt, wenn man ihnen im Weg stand.

Es war wie eine Fütterung von wilden Tieren, und wir, dieses verrückte Treiben beobachtend, kamen uns vor wie im Zoo.

Warum also einen echten Zoo oder sogar einen Zirkus besuchen, wenn man Affen, Hühner, Elefanten und Stinktiere genauso gut in unserer angeblichen Zivilisation und in freier Natur beobachten kann.

Ihr Fräulein Lindemann

 

Sitzplätze.

Als Kind wurde ich immer wieder von meinen Eltern darauf hingewiesen, älteren Menschen die Tür zu öffnen, andere Menschen mit der unterschiedlichsten Tageszeit zu grüssen, ihnen beim durch die Tür gehen den Vortritt zu lassen, ihnen meinen Platz im Bus anzubieten, kurzum, umsichtig zu sein.

Der Busplatz ist beliebig durch einen Platz im Wartezimmer oder in der U- bzw. S- Bahn zu ersetzen.

Jetzt als Erwachsene hat sich daran nicht viel geändert. Ich nehme Rücksicht.

Gestern jedoch hat sich das Blatt gewendet.
Ja, gestern war der Tag x.

Ich hatte einen Termin zur Akupunktur. Der Eingangsbereich der Praxis, der gleichzeitig auch als Wartebereich diente, war nahezu winzig.
Die Termine dort sind so eingetaktet, so dass man sich quasi die Klinke in die Hand gibt; zwischen Ruheraum, Sprechzimmer und dem 1-Stuhl- Wartebereich.
So auch gestern, allerdings mit einem kleinen Stau.
Der eine einzige Stuhl war besetzt mit einem Mann Ende 20.

Also kein Kind, kein Teenager, sondern ein fertiger, erwachsener Mann.
Er schaute mich an und überlegte.
Dann stand er auf und bot mir seinen Stuhl an.

Worstcase -Szenario!

Jetzt war es soweit.
Ich erreichte mit einem Schlag den nächsten Abschnitt meines Lebens.
Ich trat mit einem fetten Ruck in die Gruppe der Bedürftigen, der Gebrechlichen, der zu Unterstützenden ein. Was für ein entmutigender Moment, plötzlich war ich Mitglied im Club der Alten.
Es reichte also nicht, dass ich die Linien in meinem Gesicht jeden Morgen genaustens beobachte, die Gravitation verfluche, wenn ich an mir herunter schaue.
Es hilft nicht, dass alle grauen Haare entweder herausgerissen, oder aber gefärbt werden, und ich mich tatsächlich seit einiger Zeit sportlich betätige um dem Verfall entgegen zu wirken.

Ich erwische mich dabei, mit der aktuellen Musik meine Probleme zu haben, weil ich die Sprache nicht verstehe (Jugenddeutsch gemischt mit Ausländisch) oder mich die falsche Grammatik nervt und ablenkt.
Vielleicht waren das alles Anzeichen, die mich langsam und schonend auf den Tag x vorbereiten wollten, nur ich hab es einfach ignoriert.
Was ist also mein Fazit?

Bus- und Bahnfahren wird überbewertet, ich bleibe beim Auto. Und beim nächsten Stuhlanbieten nehme ich es einfach als Höflichkeit, mir als Frau gegenüber, und ich werde es kurz dankend mit „Jugend vor Schönheit“ ablehnen…, oder mich einfach setzen und nicht weiter darüber nachdenken.

Mal sehen ob es klappt.

Ihr Fräulein Lindemann

 

Das Blatt.

Manchmal wendet sich das Blatt.
Manchmal ganz leise. Ganz unscheinbar.
Man sieht es einfach nicht kommen. Plötzlich aber knallt es.
Es gibt diese Aha-Momente.
Die können auch ganz sachte geschehen, sich über lange Zeit anbahnen, oder aber auch laut und schmerzhaft sein, wie ein Aufschrei und eine Faust in die Magengrube.

Ich kann sagen, dem Schmerz ist es egal, ob es eine kleine Mädchenfaust war, die geboxt hat, es tut trotzdem weh.
Hier bin ich nicht sicher was am meisten weh tut: Sich getäuscht zu haben, eine gesamte Freundschaft infrage stellen zu müssen, und somit jedes gemeinsame Lachen, Weinen und Anvertrauen, oder, ob es nur das lädierte Ego ist, sich in einem Menschen getäuscht , und quasi an manchen Stellen blank gezogen zu haben, und sich nun nackt und ausgeliefert zu fühlen (Hallooo! Im übertragenen Sinn!).

Nach der Wendung, des Realisierens, muss man mit einem großen Knall Schluss machen, oder, wenn man kann, es einfach auslaufen lassen.

In Männerbeziehungen bin ich immer für den lauten Knall gewesen. Sehr reinigend, geradezu befreiend. Danach wurde entweder wie ein Schlosshund geheult, viel Rotwein konsumiert und 4 KG abgenommen, oder es wurde gefeiert und gesungen.

Das Beenden von Freundinnen-Freundschaften ist da anders.

Sicher gab es schon die Momente, in denen eine Trennung wie das Fallen eines Steins vom Herzen war, weil die Erwartungen aneinander doch recht unterschiedlich waren, irgendetwas situativ total genervt hat, und die Freundschaft noch nicht genug Fundament hatte, damit erwachsen umzugehen.
Aber normaler Weise ist der Verlust einer Vertrauten, einer Verbündeten, unglaublich traurig.

Generell bin ich, was Freundinnen-Freundschaften angeht, schon eher ein Schaf.
Ich lasse mich schwer wieder von der Herde abschütteln, bin treu und loyal bis zur Schlachtbank.

Manchmal kommt nur die Schlachtbank früher als erwartet, und in einer Verkleidung.

Die kann eine Projektion sein, und als böse „Einflüsterin“ namens Neid und Missgunst daherkommen, oder in Gestalt eines Mannes. Der kann sich auf beiden Seiten zum Problem entwickeln, und ist sogar manchmal der Grund für die Missgunst.

Es ist alles möglich. Aber alles schmerzt gleichermaßen, verbunden mit Enttäuschung und Ungläubigkeit.

Was bedeutet Freundschaft für Sie?

Männerfreundschaften sind an dieser Stelle erwähnt, noch einmal ganz anders, und hier, liebe Männer, bitte mal kurz weghören, Freundinnen erzählen sich fast alles, Männer definitiv nicht.
Also nicht jeder einzelnen alles, aber in der Gesamtheit wissen alle Freundinnen zusammen 90% der bewegendsten und unaussprechlichsten Dinge voneinander.
Zu mindestens kann ich das wohl für meine und für nachfolgende Generationen sagen.

Bei meiner Mutter bin ich mir nicht so sicher, sie kommt da vermutlich nur auf einen mittleren Prozentsatz, denn ich bin sicher, meine Mutter hat Geheimnisse, von denen niemals jemand etwas erfahren wird, auch ich nicht.
„Mama, wo hattest du noch gleich den Familienschmuck vergraben…?“

Schaue ich zurück, muss ich Verluste beklagen. Menschen, die in meinem Leben nicht wegzudenken waren, sind jetzt unsichtbar oder nur noch Randerscheinungen. Aber es gibt auch Verbündete, die sich von Umzügen, Trennungen, neuen Männern, neuen und alten Kindern, von großer räumlicher Distanz und fremden Sprachen nicht erschrecken lassen, und immer noch wie Felsen in der Brandung dastehen.
Und dann gibt es die neuen Menschen, von denen es einige schaffen, neue Felsen zu werden, aber einige auch wie kleine Sandburgen nach der Flut im Nichts verschwinden.

Ein Hoch auf die Freundschaft!

Ihr Fräulein Lindemann

 

Social Media

Soziale Medien?
Interessanter Name für etwas, das eigentlich doch eher asozial ist.
Das meine ich gar nicht so abwertend wie man normalerweise das Wort „asozial“ benutzt, ich meine es tatsächlich im echten Sinne.

Was ist denn eigentlich sozial?

Im Wörterbuch steht: „…auf die Art und Weise bezogen, in der Menschen in einer Gesellschaft zusammenleben…“
Allerdings bedeutet „sozial“ umgangssprachlich: „… den Bezug einer Person auf eine oder mehrere andere Personen; dies schließt die Fähigkeit einer Person, sich für andere zu interessieren und sich einzufühlen mit ein. Aber es bedeutet auch, anderen zu helfen und eigene Interessen zurückzustellen…“
Eigene Interessen zurückzustellen, sich für andere interessieren? Da haben wir es. Wer bitte, stellt denn heute noch seine eigenen Interessen zurück? Oder wer interessiert sich für andere? Damit meine ich weder Interesse als Klatsch oder Tratsch, noch Gerüchte zu verbreiten oder seine Neugierde zu befriedigen.
Warum gibt es Twitter?
Damit jeder seine Meinung, auf ein Maximum von 280 Zeichen reduziert, in die Welt hinausposaunen kann. Jeder kann einen Account einrichten und die Welt mit seinem Gedankenmüll, sofern es nicht mit Rassismus, Missbrauch, Gewaltverherrlichung oder Spammen zu tun hat, zu tweeten und alles kund zu tun, was man schon immer mal sagen wollte, allerdings keinem echten Gegenüber und am liebsten ohne Nachfrage.

Gut, für einiges davon braucht man keinen Twitteraccount mehr, da sind wir gesellschaftlich schon in der realen Welt angekommen, da reichen auch die Echoverleihung, das Betreten verschiedener Bahnhöfe zu späterer Stunde oder einfach nur ein Spaziergang durch den Park.

Aber wo ist jetzt der soziale Teil bei Facebook und Co? Wir posten, schreiben und zeigen unsere privatesten Fotos. Jeder schreibt Kleinigkeiten seines Lebens ins World Wide Web und teilt sie; fotografiert sein Essen, oder seinen Café Latte am Nachmittag. Unabhängig davon, ob er das gerade mit „echten“ Menschen erlebt.

Es geht um Schauspielerei, etwas darzustellen, was man gerne sein möchte, vielleicht interessanter, schöner (hoch leben die Filter und Snapchat) oder beliebter (ansonsten würde man nicht nach der Anzahl seiner Follower bewertet), und man kann Einfluss nehmen, bzw. lassen.

All die Influencer, sie zeigen sonderbare Mode, und sie sagen was cool und in ist. Egal ob plötzlich karierte XXL Pullover in knappe Streifenminis gesteckt werden, mit eckigen Sonnenbrillen auf der Nase und „hello Kitty“ Haarspangen im gelb gefärbten Haar.
Ja?
Sie leben bzw. finanzieren sich von der Werbung, mit der die eigene Klientel vollgeballert wird, allerdings können sie keinen wirklichen Einfluss darauf nehmen, und sind somit nur die offene Tür und damit Mittel zum Zweck.

Da werden für mehrerer 1.000 Euro Reisen für solche Influencer nach Coachella bezahlt (Neid! Da will ich auch mal hin!) und die Anzahl der Posts wird ganz genau vorgegeben, die Anzahl der Fotos, die rausgehen MÜSSEN. Müssten Influencer nicht eigentlich dann „Soldier“ heißen, und wer ist dann der eigentliche Follower?

Im Zeitalter von Cambridge Analytica und mehr als 87 mio. ausspionierten Facebook-Nutzern, gepaart mit der gängigen Liebe zum Narzissmus und der Freude, jeden Mist mit der Welt zu teilen, bin ich sicher, Facebook weiß sogar welches Toilettenpapier man am liebsten kauft und was man nachts träumt.

Ich war immer ein Gegner dieser Internetmöglichkeiten und des sich Präsentierens.

Seit 2 Wochen habe ich einen Facebook-Account, wie ich finde, ein guter Zeitpunkt…

Ihr Fräulein Lindemann.

 

Heimat.

Was bedeutet eigentlich Heimat, und was ist der Unterschied zum Zuhause?

Heimat, das klingt so altmodisch und erinnert mich an 50er Jahre Filme, irgendwo im Schwarzwald, am Tegernsee oder in den Bergen. Heimat, damit verbinde ich auch die Ponys vom Immenhof, mit viel Landschaft und einer heilen Welt.

Leben wir noch in einer heilen Welt? „Raketen werden kommen…“, das ist der Satz den der US Präsident gestern Vormittag in die Welt twitterte.
Das hier, weitere Provokationen Richtung Russland, und die Antwort des russischen Präsidenten, lässt eher vermuten, dass wir, die Generation unserer Eltern übersprungen, die nächste Generation sind, die auf einen Krieg zu steuern, so wie unsere Groß- und Urgroßeltern.

An dieser Stelle müssen wir über den Tonfall und die Tatsache, dass Kriegserklärungen im Alleingang, also ohne Außenminister, Verteidigungsminister und Bündnispartnern, und noch dazu öffentlich in sozialen Medien kundgetan, gar nicht sprechen.
Unglaublich.

Ich schaue aus dem Fenster raus und sehe das frisch gepflügte Maisfeld, den blühenden Kirschbaum, und sämtliche Sträucher zeigen ebenfalls ihre ersten Knospen. (… und der Mann niest ständig… )
Sieht so die Welt aus, bevor es richtig kracht? Und heißt das, dass dieses doch sehr altmodische Wort „Heimat“ bald nicht mehr existiert ist?

Nein, auf keinen Fall.
Heimat ist vielleicht heute wichtiger als jemals zuvor. Auch, sich ganz klar bewusst zu machen, was es für jeden einzelnen bedeutet.
Meine Heimat ist die Region, in der ich aufwuchs. Eine flache, platte Landschaft, mit Spargel- und Erdbeerfeldern, mit Wald und Wiesen, und mit wunderschönen, gelben Rapsfeldern.
Wenn ich heute ein Rapsfeld sehe, geht mir das Herz auf, und es wird mir warm und wohlig, und vor lauter Emotionen, könnte ich beim Anblick eines Rapsfeldes direkt losheulen. (Mache ich aber jetzt nicht, keine Sorge.)
Aber genau das ist wohl ein Heimatgefühl, doch wo ist der Unterschied zwischen Heimat und Zuhause?
Bedeuten sie das gleiche?
Wo überschneiden sie sich?
Es gab eine Zeit vor vielen Jahren, in der ich das Gefühl von „Zuhause“ verloren hatte. Alles war durcheinander und das, was für mich Zuhause war, gab es mit einem Schlag nicht mehr.
Mein Vater starb, und ich war plötzlich ohne Basis.

Ich hatte große Schwierigkeiten dieses Verlustgefühl und die Trauer um meinen Vater einerseits, und andrerseits auch um mein Zuhause, in dem ich groß wurde, und das nun nicht mehr existent war, zu verarbeiten.
Ich fühlte mich wie in einem Schwebezustand, nirgends zugehörig und völlig allein.
Ein, zwei Gespräche mit einem klugen Kopf, und die Frage, was eigentlich Zuhause für mich bedeutete, brachten mich zurück in die Spur.

Letztendlich war es die Erkenntnis, dass mein Zuhause da ist, wo ich lebe, wo meine Sachen sind, mein Sofa, mein Bett, meine Schuhe und Handtaschen, meine Fotos. Der Ort an den ich mich zurück ziehe, wenn es schwierig wird, wohin ich gehe, wenn ich Ruhe brauche, oder Trost.
Zuhause ist da, wo der Mann auf mich wartet, und wo wir geborgen und sicher leben.

Mein Zuhause kann wechseln, wir können umziehen, aber dann bleibt es doch unser Zuhause.

Ich wünsche mir, dass weder meine Heimat, noch mein Zuhause jemals in Gefahr sind, nur, weil ein alter, dummer, selbstgefälliger Mann vergessen hat, welche Verantwortung er für uns alle und für die nächsten Generationen hat.

Ihr Fräulein Lindemann