Wenn meine Mutter vom Arzt kommt, je nach Aufregungszustand, kann sie nur bedingt wiedergeben, was gesagt wurde.
Was genau hat der Doktor denn nun gesagt? Was ist der nächste Schritt, und wie geht es weiter?
Hmm…. Es ist weg, so genau hat sie es auch gar nicht verstanden. Ich rolle mit den Augen, selbstverständlich bekommt sie das nicht mit.
Hat sie nachgefragt, sich etwas aufgeschrieben? Anscheinend nicht. Wieder rolle ich mit den Augen, und meine Besorgnis über ihren Krankheitszustand wird auch nicht geringer.
Meine Omi hat immer eine Liste mitgenommen und einen Stift um sich Notizen zu machen. Früher habe ich gelächelt und dachte, sie geht doch nicht zum Einkaufen, warum braucht sie eine Einkaufsliste?
Die Fragen, die man zu sich selbst hat, kann man sich doch wohl merken- die Antworten doch wohl auch.
Wie kommt es, dass man vor dem vermeidlichen „Gott in Weiß“ (ist er selbstverständlich nicht!) plötzlich alles vergisst? Oder ist das nur die pure Aufregung, weil es einen plötzlich selbst betrifft, und man beteiligt ist? Oder sind es die fremden Worte, die im normalen Sprachgebrauch nicht vorkommen? Sind Ärzte nicht in der Lage patientengerecht zu sprechen?
Ist das eine Frage des Alters? Und bedeutet das, dass mich die Liste auch irgendwann erwischt, und ich informationslos und betrübt vom Arzt zurückkomme und keinen wirklichen Schimmer über meinen Gesundheitszustand habe? Ist es selektives Hören und dann auf irgendwelchen Schlagworten wie „Blutdruck“, „erhöhte Werte“ und „weitere Diagnostik nötig““ hängen bleibend, ohne zu verstehen, was und wie der Zusammenhang ist.
Zu denken, diese Form der „Patientendemenz“ ist eine Frage des Alters, ist schlicht und ergreifend: falsch!
Es ist keine Frage des Alters und kann jeden erwischen. So, jetzt wissen Sie es. Auch mich!
Unter Medikamenteneinfluss, oder einfach nur aus persönlicher Besorgnis, stellt das Hirn einfach auf Durchzug. Kürzlich beim Arzt ging ich schnurstracks ins Sanitätshaus, hatte ich noch so im Kopf und war mir (bin) so sicher, dass ich es richtig verstanden hatte, und holte mir ein Zubehör ab. Weiter oben, zurück in der Praxis, brachte ich mein Zubehör mit ins Patientengespräch, allerdings konnte mein Arzt nicht viel damit anfangen, und ich sollte wieder runter ins Sanitätshaus, mir alles erklären lassen. Kein Problem. Ich überlegte, ….und was wollte ich ihn noch fragen, für wann hatten wir beim letzten Mal den Folgetermin ausgemacht. Ich war siegessicher, aber er fand ihn nicht im Kalender, also noch mal. Dieses Mal mit Notiz im Mobiltelefon. Was wollte ich noch wissen? Ich hatte 5 Punkte auf meiner Liste (!!). Keine fiel mir ein. So ein Mist. Los, logisch vorgehen, auf mein photographisches Gedächtnis hoffen und mir die Anfangsbuchstaben vorstellen (vom Zettel) und hoffen, dass sich der Rest findet.
Ging so. Mit Verzögerung kam dann alles irgendwie wieder, denn auf meinen Zettel im Telefon zu schauen, ging nicht. Der Mann hatte sich im Vorfeld auch schon lustig gemacht, und ich ihm versucht zu erklären, dass ich selbstverständlich nichts herausholen muss, sondern nur eine generelle Gedankenstütze benötige, für den Notfall, der selbstverständlich niemals einträte.
Nicht auf den Zettel schauend, verließ ich das Behandlungszimmer, mit meinem Sanitätshauszubehör unterm Arm und der Gewissheit, dass Punkt 3 und 4 nicht erledigt waren.
Ich ging zur Toilette und schaute heimlich nach. Ach ja….
Also gut, zurück zur Rezeption und nachgefragt. 7 Minuten später hatte ich meine Folgerezepte.
Unten im Sanitätshaus kamen erneute Zweifel. Wie war das mit der Belastung für den Fuß? Komplett, Teilbelastung? Und wenn, mit Hilfe der Unterarmgehstützen, oder doch ohne?
Himmel! Die Sanitätshausfachangestellte sagte, sie könne mir nichts davon beantworten, ich sollte noch mal nachfragen, und ich fragte und fuhr zum 3. Mal hoch zurück in die Praxis, erntete leichtes Augenbrauenheben an der Rezeption, weil ich schon wieder auftauchte und Fragen hatte, die Klärung bedurften, obwohl die ja schon eigentlich geklärt gewesen sein sollten, nur nicht waren.
Mit neuen Informationen verließ ich nun das Ärztehaus und fuhr nach Hause, und das ohne auf meinem Ausweis die Adresse abzugleichen.
Irgendetwas funktioniert ja dann wohl doch noch…
Fräulein Lindemann