Hier in Köln nennen wir „es“ die fünfte Jahreszeit. Oder wir nennen „es“ Karneval.
In Bayern, speziell in München, wird diese Zeit „Oktoberfest“ genannt.
Was denken Sie, ist der gravierendste Unterschied?
Die Jahreszeit. Genau.
Denn im Gegensatz zum Karneval, friert man sich beim Oktoberfest, was interessanterweise größtenteils im September stattfindet, nicht seinen Hintern ab.
Aber es gibt auch einen zweiten Unterschied.
Das Motto.
Wo im Rheinland das Motto in kleinen oder auch mittleren Gruppen festgelegt und besprochen wird, hat man in München nur ein Motto, und das heißt: Traditionelle Kleidung- Dirndl und Lederhosen, und ganz viel Bier.
Aber woher kommt diese Tradition eigentlich? Ich dachte immer, dass Trachten aus uralten Überlieferungen von vor über 300-400 Jahren kommen, man an der edlen Spitze die Herkunft, und an den Farben den Landkreis, erkennen kann. Aber, falsch gedacht!
Es gibt das Dirndl erst seit nun mehr 150 Jahren, also ist es mit der langen Tradition nicht sehr weit her.
In diesem Jahr hatte ich erstmalig das Vergnügen, dem Oktoberfest live und in Farbe beizuwohnen, kann nun auch aus erster Hand sagen, das Tradition in Zusammenhang mit Dirndl und Equipment ein wirklich sehr dehnbarer Begriff ist, und dass der Phantasie keine Grenzen gesetzt werden,… leider auch nicht dem guten Geschmack.
Meine Freundin aus München lud zum Geburtstag feiern ein, und so fingen 4 Ladies in München, Wiesbaden, wieder Wiesbaden, und in Köln an, sich vorzubereiten. ( 2 weitere Ladies kamen ebenfalls aus München, und dort öffnet man nur seinen Kleiderschrank, entscheidet sich für eines der vielen, und man sieht einfach wundervoll aus)
Meine Vorbereitungen für dieses Fest liefen ähnlich ab, wie meine Karnevalsvorbereitungen.
Welches Kostüm? Welche Schuhe? Welches Zubehör und die 1 Mio € Frage: was geschieht bloß mit den Haaren?
Die Sache mit den Haaren wurde zentral von unserer Freundin gelöst, und wir 4 hatten für unseren Ausgehtag einen gemeinsamen Friseurbesuch gebucht. (bekommen)
Unser Perfektionismus sollte vollends befriedigt werden, denn auch wenn ich nur 1/3 von dem verstehe was dort unten gesprochen wird, wollte ich dennoch 100%ig so aussehen, als könnte ich es wie eine Einheimische.
Ab Mitte September drehen ja alle mit diesem Oktoberfest durch; plötzlich gibt es bei Lidl, Aldi, Edeka, Metro & co alles an Kleidung und Lebensmitteln, was das bayerische Herz begehrt- oder jemals begehren könnte.
Selbst in einer nahegelegenen Brauerei, die sich auf Pils und Kellerbier (und 1.000 verschiedene Softgetränke) spezialisiert hat, hängen plötzlich weißblaue Fähnchen und Wimpel, und zum trüben Pils gibt es Brezeln und Leberkäs´. Überall der bayerische Wahnsinn.
Plötzlich fangen auch Menschen, die wie ich eigentlich hochdeutsch sprechen, an, ihre Sprache zu verändern, und zwar in etwas von dem sie meinen es sei Bayerisch, der Mann hingegen muss nur müde schmunzelt und sagt- so ein Schmarren… (er darf das, er ist gebürtiger Münchner) Und ich höre nicht mal den Unterschied zwischen bayerisch und österreichisch- sorry… (der Mann übt noch mit mir)
Wir Damen sahen selbstverständlich fantastisch aus. Die Brüste hochgeschnallt bis unters Kinn, ein Dekolleté zum Niederknien, alle im ganz zauberhaften Dirndl mit tollen Farben, und auf unseren Köpfen trugen wir Frisürchen, die ich nie, niemals, auch nur annähernd an einem fremden Kopf hinbekommen hätte, ganz zu schweigen an meinem eigenen. (der Rekord bei Haarnadeln lag bei 31)
Durch verschiedene großartige Umstände hatten wir einen eigenen Tisch im Augustiner.
Bis dato konnte ich diesem Glücksfall seine unglaubliche Bedeutung gar nicht zuordnen, musste dann jedoch feststellen, sollte ich je wieder einmal dieses Fest besuchen-definitiv niemals ohne vor reservierten Tisch.
Aus Köln kommend und kleine Biergläser gewohnt, war ich im ersten Moment mit 1l Krügen, die auch meine zweite Hand zum Trinken benötigten, etwas überfordert, aber wenn das Bier erst einmal läuft, dann läuft es … auch aus dem 2. und im 3. Maßkrug, und wenn man dazu viel Kartoffelsalat und ½ Hähnchen isst, schafft man es auch alleine, ohne fremde Hilfe, wieder heraus aus dem Zelt.
Ich werde in den nächsten 12 Monaten etwas üben und freue mich jetzt schon auf nächstes Jahr.
Ihr Fräulein Lindemann