„Motte“ bezeichnet in der Biologie:
im engeren biologischen Sinn verschiedene Kleinschmetterlingsfamilien. Dazu zählen:
Echte Motten, wie die Kleidermotte, und einige Zünslerarten, wie die Mehlmotte.
Schmetterlinge also…, somit kann ich mit wenig Stolz berichten: wir haben Schmetterlinge im Haus.
Alles fing vor einiger Zeit an, als der Mann und feststellten, dass sich immer mal wieder eine Motte in unsere Küche verirrte.
Ja, wir lassen das Licht oft an und öffnen dazu die Terrassentür. Auch gerne länger.
Für uns war das halt ein Minifalter, der sich vom Licht angezogen, zu uns verirrte. Die kleinen Falter wurden jedoch regelmäßiger gesichtet, und wir bewaffneten uns mit Geschirrtüchern und Pantoffeln. Irgendwann kroch ein kleiner Falter aus der Schublade heraus. Da war es geschehen vom Freund zum Feind erklärt.
Ich war zutiefst angewidert. Sollten wir etwa Motten in unserer Küche beherbergen?
Wir sollten.
Ich transformierte zu Miss Marple (jünger, schlanker und in Farbe) und begann mich auf die Suche nach ihrem Zuhause zu machen. Der Mann war mit guten Ratschlägen dabei: da musst du ganz sorgfältig schauen, die können sich überall verkriechen. Hast du auch schon alles genauestens untersucht?
Nur so viel, gut gemeinte Kommentare kommen nicht immer gut gemeint an…
Haben Sie eine Idee davon, wieviel Arbeit es macht, wirklich jeden einzelnen Schrank in einer normalgroßen Küche Millimeter genau zu untersuchen, alles heraus zu nehmen, abzuwaschen und zu inspizieren?
Ich wurde belohnt und fand Babyfalter- eigentlich Raupen oder besser: Maden!
Mit großen blauen Müllsäcken bewaffnet, ging ich ans Werk und sortierte Lebensmittel aus. Wenn man denkt, dass eine dieser Säuberungsaktionen schon ausreicht, da hat man falsch gedacht. Mit Taschenlampe und Sidolin Gleisreiniger ging ich wochenlang in die kleinsten Ritzen und Ecken schauen, sprühen und putzen.
Da wir unser offenes Haus im Dunkeln nicht nur im Wohnzimmer pflegen, sondern auch im Rest des Hauses recht leichtsinnig mit der dunklen Nacht, dem Licht und den offenen Fenster umgehen, schwirrte es dann und wann auch in unserem Wäscheraum, der eigentlich ein großer Kleiderschrank ist.
Ich musste feststellen, dass „Schmetterlinge“ einen ausgesprochen exquisiten Geschmack haben, was die Auswahl ihres Frühstücks, Mittag- oder Abendessens, oder ihres kleinen Zwischensnacks betrifft.
Einen superteuren Kaschmirpullover aus dem Schrank ziehend, flatterte etwas kleines schwarzes, hektisches Etwas mit heraus, und bei genauerer Betrachtung hatte mein Lieblingsstück plötzlich Lüftungslöcher, die ich nicht genehmigt hatte, und die dem Pullover auch nicht standen. Ich bekam einen Wutanfall, und die Schrankinspektion ging von vorne los. Kaschmir, Angora, reine Baumwolle und Seide sind stark beliebt. Kleinste Teile von Polyester oder Acryl stehen auf deren No-go-Liste und sind verpönt.
Löcher in Lieblingsklamotten sind ja so gemein, und ich beschloss einen Gegenschlag zu starten, aber wie nur?
Google ist nicht hilfreich und macht wenig Hoffnung. Man kann sich ein anderes Insekt bzw. einen Minischädlich erkaufen, der sich von kleinen Motten ernährt und somit den Schrank sauber hält. Aber will man das eine Unheil mit einem nächsten ausrotten?
Unsere Schränke sind nun mit Lavendelkissen, Nexalotte in Kugeln, Streifen, Aufstellern und Flüssigkeitsbehältern ausstaffiert.
Es riecht jetzt nach „Oma“ in und aus unseren Schränken.
Aber wir sind jetzt Mottenfrei.
Fast, denn wenn ich mich recht zurückerinnere, kommen mir plötzlich viele Bilder in den Sinn. Eines ist, wie meine Lieblingstante vor mir kniet, wie sie ihre Arme weit ausbreitet und nach mir, Motte, ruft.
Und das Bild, wie ich mich überglücklich in ihre Arme werfe und frage, sind Motten nicht graue hässliche Falter?
Sie antwortete, nein, das sind kleine großartige Mädchen.
Wie unterschiedlich doch Betrachtungsweisen sein können….
Ihr Fräulein Lindemann