Madeira II.

Manche Reisen bedürfen eines zweiten Teils.

Die ersten Tage unseres Madeira-Urlaubs verbrachten wir auf unserer Dachterrasse, lasen unsere Bücher um die Wette, und wir bräunten uns unter den 26°,fast zu warmen, Sonnenstrahlen, des eigentlich herbstlichen Novembers.
Nur für kurze Nahrungs- und Getränkeaufnahmen verließen wir widerwillig unsere Sonnenliegen und verspürten schon nach kürzester Zeit große Sehnsucht zurück zur Liege.
Unsere Dachterrassen-Co-Relaxer kamen aus Norwegen.
Aufgrund des fehlenden Tageslichts dort im hohen Norden, und der wohl zu langen, kalten und dunklen Winter, versuchten die beiden Norweger, bereits dunkelrot und cross gebräunt, heraus zu finden, wann denn wohl das perfekte Röstaroma erreicht ist und wie rot so eine Haut eigentlich werden kann. Wenn man alles gibt und sich wirklich anstrengt.
Wir waren beindruckt, auch über die hier nötige, extern-interne Hydration, die bei einem solchen Sonnenprojekt nötig ist. In diesem Fall mit Bier, und zwar in riesiger Menge. Vielleicht ein zusätzlicher Farb-Booster in Anbetracht der Temperaturen?

Unsere kleine Bucht direkt vorm Hotel war zauberhaft, das Meer war wild und die Wellen schlugen an die Wellenbrecher, um sich dort in Gischt und Wasserfontänen zu verwandeln. Der Blick vom Wasser auf unser Hotel mutete wie eine Zeitreise in die Truman Show der späten 90er an.

Das Hotel war mit unterschiedlichen Fenstern und Außenfassaden versehen, so dass zumindest im ersten und zweiten Moment, wenn man es sich von außen ansah, der Eindruck entstand, es handele sich um mehrere unterschiedlicher Häuser nebeneinander. Rechts und links der Straßenfront gab es jeweils einen Tunnel. Beide Tunnel verschwanden in großen, wirklich massiven Felsen. Einer der Tunnel war am Eingang mit einem Sackgassenschild versehen, dennoch verschwand dann und wann ein Motorrad darin und manchmal kam auch eines wieder heraus. Beim anderen Tunnel wissen wir bis heute nicht, wohin er führte.

Unser Himmel war so hellblau, dass er jedem Postkartenmotiv ganz locker die Show stahl, und die Kirche im Hintergrund, sowie die Fassade eines alten 1930er Kinos, sahen so blitzeblank geputzt, frisch angestrichen, und so unecht aus, dass es nicht klar war, ob wir nicht auf irgendeine billige Filmkulisse schaueten. War alles nur aus Pappmaschee oder Styropor nachgebastelt, oder doch real?

Es schien, als wären wir nicht in Ponta do Sol, nein, wir waren in Truman-Hausen! Oder wie es richtig hieß, in Seahaven… und jederzeit konnte ein Scheinwerfer aus dem Himmel auf uns herab fallen.

Nach einigen Tagen ließ unsere blühende Phantasie wieder nach, und wir mieteten und ein kleines Auto an. Einen Fiat Panta mit gefühlten 4 PS, bei dem man, wenn man überhaupt vom Fleckweg kann, bei leichten Steigungen die Sorge hatte, rückwärts wieder herunter zu rollen…
Wir wollten die Insel erkunden, konnten uns aber nur schwerlich auf die Strecken einigen. Unser Fokus, und der Anspruch an die Qualität der Reiseroute waren doch recht verschieden. Ich wollte auf gar keinen Fall die winzigen, auf gefühlten 2.000 Höhenmetern endenden Serpentinen, mit wenig bzw. gar keiner Straßenbefestigung versehen, fahren, und dem Mann, auf der anderen Seite der Diskussion, war es so wichtig, keine Autobahn zu fahren, damit wir bloß genügend von der Landschaft sehen konnten, und auch etwas Nervenkitzel übrig bleibt.

Am Ende weiß ich nicht, was wir auf unseren Wegen durch Täler, Wälder und sehr engen, einsamen Bergstraßen, wirklich von der Landschaft gesehen oder verpasst haben, denn der Mann durfte nicht zu viel nach rechts und links schauen, sollte sich ja auf die schmalen Straßen konzentrieren, und ich konnte nicht schauen, musste ja als geborener Kontroletti mit auf die Straße achten, und ihm gute Ratschläge geben.

Der Mann hat seinen Nervenkitzel schließlich doch noch bekommen, und ich innerliche Schnappatmung, immer mit dem Gedanken: die Kinder sind versorgt, … und dann sterben wir halt wenigstens gemeinsam, hoffentlich geht es schnell und tut nicht so weh.

Die neuen Straßen auf Madeira, und neu klingt hier etwas missverständlich, führen durch die Berge und Felsen, wenig breit ausgebaut, lang, dunkel, und die alten Straßen sind, wie früher üblich, um die Felsen herum gebaut, schmal, eng und wenig- sehr wenig- befestigt. Manche haben solche Schlaglöcher, dass wenn man hineingeschaut hätte, vermutliche festgestellt hätte, dass ganze Dörfer darin versteckt gewesen wären.
Diese alten, ursprünglichen Straßen sind mit international zu verstehenden Warnschildern versehen, und verdeutlichen leicht verständlich, dass die Möglichkeit besteht, dass jederzeit Steinbrocken herunterfallen könnten.
Einige Straßen waren aus diesen Gründen bereits komplett gesperrt, aber was wissen denn schon die einheimischen Madeirer, wenn es der deutsche Tourist so viel besser weiß, und trotz Sperrung versucht, das Auto genau dort hinzulenken. Etwas Spaß muss ja sein…

Es war ein Abenteuerurlaub durch und durch. Wir haben eine Bootstour gemacht und Delphine und Wale so nah gesehen, dass wir sie um ein leichtes hätten berühren können, wenn wir es gedurft hätten. Bei doch recht gutem Wellengang und aus der Vergangenheit wissend, einen empfindlichen Magen zu besitzen, hat am Ende nur die sich übergebende Mitreisende für kleine Turbulenzen im eigenen Magen gesorgt.
Nachdem wir wussten was Téleferico hieß, und wir mutig den Schildern folgten, fanden wir die steilste Seilbahn Europas, sind mit ihr irre 500 m runter, in eine komplett andere Welt gereist.

Dort haben ein verwunschenes, altes Dorf in einer Art Parallelwelt entdeckt- ein zweites Madeira auf Madeira quasi.
So würde ich mir Neuseeland, Schottland und Irland als Hybrid vorstellen. Ein grünes Wunder! Der Mann schmunzelte nur, und sagte: Würde ein Hobbit um die Ecke kommen, würde es mich nicht überraschen…

Es war atemberaubend, das Meer, die Küste, die Klippen… Natur pur, so wie ich es zuvor noch nicht erlebt hatte. Dass ich die Hand des Mannes beim Runterfahren halten und drücken musste, und sich in meinem Magen das ein oder andere des Mittagessens hin und her drehte, muss ich ja nicht extra betonen. Mitreisende Gondelteilnehmer waren belustigt, mein Spaß hielt sich in Grenzen.

Abenteuerlich war auch mein spontaner Friseurbesuch. Befeuert durch die Leichtigkeit zweier Gläser frischen Vinho Verdes, machte ich mich auf den Weg zum Dorffriseur. Schnell waren wir uns einig bei Länge und Form, und zack, waren die Haare ab.

Die Länge beim Friseur, ist wie auch im echten Leben, ein scheinbar sehr flexibler Begriff und wenn zwei das gleiche sagen, meinen sie noch lange nicht dasselbe.

„Haare wachsen wieder“, ein Satz, der meine Laune, als ich später im Hotel wie ein Schloßhund heulte, nicht unbedingt hob.
Aber gut, Haare wachsen wieder und aus der Kombination Friseur und Vinho Verde werde ich zukünftig meine Lehren ziehen…, Prosecco vertrage ich besser.

Chau, vocês Senhorita Lindemann

 

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