„Es ist 1996, meine Freundin ist weg und bräunt sich, in der Südsee …
Ja, so fing es an das Lied von „fettes Brot“, und es ging nicht um Urlaube, sondern ums Entscheiden.
Ja…, nein…, vielleicht…
Niemand will sich mehr entscheiden, alle eiern rum und suchen die goldene Mitte. Manche nennen es Kompromiss, für andere heißt das Diplomatie.
Ich nenne es feige sein. Feige, unbequem zu sein, anzuecken, oder anders zu sein. Nicht mit der Menge mit zu schwimmen. Es gibt so viele Ausdrücke dafür, aber eigentlich ist es nur meinungslos zu sein.
Jeder hat doch eine Meinung. Natürlich weiß ich doch, was mit lieber schmeckt: Tee oder Kaffee!
„Egal“ ist hier sicherlich keine adäquate Antwort. Ich weiß doch auch, wie ich eine Situation beurteile. Mag ich etwas und denke es ist richtig, oder finde ich es falsch. Warum hadern wir nur immer wieder mit unserer eigenen Positionierung?
Warum schauen wir ängstlich nach links oder rechts was die anderen machen und was vielleicht erwartet wird. Warum wollen wir immer anderen Erwartungen entsprechen, vergessen aber völlig unsere eigenen, die an die anderen, aber noch mehr die an uns selbst.
Sind wir wie kleine Kirmis-Ponies, die brav hintereinander hergehen, weil eines vorangeht, anstatt einmal richtig rum zu buckeln und das nervige Etwas auf unserem Rücken, das ständig mit den Füßen in unsere Seiten tritt und mit der Trense in unserem Maul zerrt, einfach runterzuschmeißen, oder wenigstens einfach stehen zu bleiben, um den Laden für kurze Zeit still zu legen.
Ist diese Meinungslosigkeit ein Spiegel unserer Gesellschaft. Wir leben doch in einem Land, in dem die Meinungsfreiheit groß geschrieben wird, und sogar einen vorrangigen Platz in unserem Grundgesetz gefunden hat.
Wieso regen wir uns über andere Länder auf, wenn den Menschen dort genau diese Freiheit genommen wird, wo wir unsere eigenen nicht einmal im kleinen Alltag richtig nutzen.
Ist das Erziehung? Wo ist der Revoluzzer in uns geblieben? Ich weiß, das ist schon sehr überzeichnet, denn es braucht ja eigentlich keinen Ernesto Che Guevara um sich für Bier oder einen Wein zu entscheiden.
Wo ist der Mut, Dinge falsch zu machen, einfach das falsche zu sagen? Ich sage ständig das Falsche.
Neulich beim Friseur, war ich sicher, einen kleinen Babybauch bei meiner Friseurin zu sehen. Die Tatsachen, dass sie in den ersten Zügen ihrer Wechseljahre war, ebenso wie ihre Körperhaltung, die auf ein kleines Hohlkreuz schließen ließ, hielten mich nicht davon ab, den Mund zu öffnen und tatsächlich zu fragen: „oh, sehe ich das richtig, du bekommst ein Baby?“
Nein, sah ich nicht. Ich jedoch bekam für einen Moment lang etwas Angst, da wir mit dem eigentlichen Haareschneiden noch nicht begonnen hatten.
Nun gut, für mich persönlich war ich danach auch der ganz klaren Meinung, manche Dinge auch durchaus unausgesprochen zu lassen, und es wie in Ronan Keatings Lied zu halten: “ You say it best wehn you say nothing at all….“. Eine Meinung zu haben bedeutet nicht gleichzeitig sie auch immer und überall hinaus zu posaunen…
Ihr Fräulein Lindemann