Haare

Frauen und ihre Haare sind schon ein interessantes Thema.

Als Baby nur mit Flaum und Flusen das Licht der Welt erblickend, dann im Kleinkindalter endlich mit einem spärlichen Wachstum auftrumpfend, von unseren Müttern aber schon mit Spängchen und Dekomaterial ausstaffiert, arbeiten wir darauf hin, bis wir endlich irgendwann das auf unserem Kopf Frisur nennen können.

Hier wäre es jedoch wichtig, das Wort Frisur klar zu definieren, und auch die unterschiedliche Perspektive mit in die Beurteilung einzubeziehen.

 

Ich war als 10-Jährige eine Ponyträgerin, allerdings musste der regelmäßig geschnitten werden, da ich ja sonst nichts mehre sehen konnte. Irgendwann wurde meinem Vater das „Ponyhochgepuste“ zu viel und er fragte mich, ob er mir nicht den Pony etwas kürzen solle. Meine innere Stimme wehrte sich und hinterfragte seine stylische Seite. Ich war sicher, meiner Mutter würde das auch nicht gefallen. Ich sollte Recht behalten.

Er fragte nach meinen Befürchtungen und erklärte mir, er wäre überkorrekt und hervorragend in der Lage akkurat und gerade zu schneiden.

War er auch, allerdings hatten wir die genaue Länge vorher nicht besprochen, und an die Pony-Seiten traute er sich nicht so recht heran. Ich sah aus wie Prinz Eisenherz für Arme. Meine Mutter flippte aus und verbot ihm, das jemals zu wiederholen.

Er war zufrieden.

 

Es war Heilig Abend und ich machte mich gerade festlich zurecht. Meine kurzen Haare waren etwas aus ihrem Schnitt entwachsen, und ich entschied mich für einen selbstgestylten Kurzhaarschnitt.

Im Nachhinein finde ich mich unglaublich mutig. Nur zum Verständnis, meine Haare an den Seiten waren anschließend 1-1,5 cm kurz.

Die Weihnachtszeit macht Menschen entspannter, denn meine Mutter kommentierte meine Haare nur mit: Gar nicht so schlecht für selbstgemacht, aber eine gewisse Ähnlichkeit mit Grace Jones.

Bis dahin wusste ich gar nicht, dass meine Mutter wusste, wer Grace Jones war.

 

Irgendwann in den späten 80ern war Aubergine als Farbe sehr populär. Erwachsene konnten diesem Trend in der Regel nichts abgewinnen, ebenso wenig, wie einem kurzgeschnittenen Nacken unter einem längeren Deckhaar.

Genauer gesagt, sprach die für mich zuständige Erwachsene, also meine Mutter, ein klares Verbot aus, das man sicherlich irgendwie auch etwas anders interpretieren konnte, denn Mädchen Teenager lassen sich nicht unbedingt immer von den Wünschen ihrer Mütter beeinflussen.

Ich entschied mich also für eine variable Frisur. Quasi für einen Kompromiss.

 

Deckhaar normal und im Naturton, aber den Nacken hoch ausrasiert und mutig in Aubergine eingefärbt.

Zuhause lief ich also mit offenem Haar herum, und in freier Natur hatte ich einen hohen Dutt.

Ein perfekter Plan, bis mir in der Küche etwas runterfiel, ich mich bückte, meine Haare nach vorne rutschten und meinen Nacken freigaben. Meine Mutter bekam Atemnot und ich Hausarrest.

 

Als Teenager dachte ich auch, ich bräuchte hellere Haare, kaufte ein Blondierungsshampoo, schäumte meine Haare ein…und… telefonierte mit meiner Freundin.

Wenn Teenager telefonieren, verlieren sie manchmal jegliches Zeitgefühl- früher so wie heute. Nach gefühlten 5 Minuten, jedoch echten 2 Stunden, waren die Haare grün.

Mein Erspartes zusammengekratzt, ging ich zum Friseur. Der entschied erst einmal die Länge um 20 cm zu kürzen und mir eine rote Tönung zu verpassen, da rot ja bekanntlich grün neutralisiert. Ich sah aus wie Pumuckls große Schwester, oder zumindest eine seiner Cousinen.

 

Später hatte ich die irrwitzige Idee, rötliche Haare wären modern, und so eine kleine rötliche Nuance würde mir perfekt stehen, das Pumuckl-Trauma offensichtlich gut verkraftet.

Selbst ist die Frau, die Frau, die dann für Stunden in der Badewanne saß und sich zum 100sten mal die Haare einschäumte um das betörende Rot, speziell das Orange, der kleinen feinen ehemals weißen Härchen, an ihrem Haaransatz wieder in einen erträglichen Farbton zu verwandeln.

Ich weiß nicht, warum wir uns das immer wieder antun.

Warum wir es nicht bei der Farbe im Gesicht belassen und unsere Farbfreude ausschließlich für Lippenstifte verwenden.

Warum wir auch als erwachsene Frauen nach einem Strähnchen-Besuch Stellen auf unserem Kopf finden, die wie ein kleines Leopardenfell aussehen und an alles erinnern, aber nicht an feine, dezente Strähnen. Ich kann das nicht beantworten. Dies ist auch keine Frage des Preises. Aus dem Teenageralter raus, und nicht mehr auf Experimente aus, gehe ich schon lange in angesagte Erwachsenenläden mit echten Erwachsenenpreisen.

 

In einer Woche gehe ich wieder zum Friseur meines Vertrauens. Ein Zweittermin, um die Folgen des Ersttermins, also die Balken, die entfernt an ein fettes Streifenhörnchen erinnern, in ein zartgefärbtes Bambifell zurück zu verwandeln. Der Schnitt ist toll.

 

Ihr Fräulein Lindemann

 

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