Herbstblues.

Neben unserem Haus ist ein riesen großes Maisfeld. Seit dem Frühjahr wiegt es mich in Sicherheit.
In Sicherheit, wovor?
Dem Winter, und ein wenig auch dem Spätherbst.
Ich liebe es, dem Mais beim Wachsen zuzusehen. Auch schon bevor er existiert, dann, wenn der Bauer das Feld bestellt, säht, Gülle fährt (hier hält sich meine Liebe in Grenzen), ich liebe es, wenn ich sehe wie der Zyklus der Natur seinen Lauf nimmt.
Vor 3 Wochen bin ich von einer Reise zurückgekommen und schaue irgendwann versonnen aus dem Fenster. Es war ein wunderschöner Morgen, etwas Morgentau, noch nicht ganz hell, eine tolle Stimmung, die Sonne zwischen den Bäumen durch blinzelnd und….
Nichts.
Gähnende Leere dort, wo doch eben noch MEIN Maisfeld stand.
Er wurde geerntet und wird vermutlich gerade von irgendeiner doofen Kuh in Form von Futtermais fröhlich verspeist.
Ich bin enttäuscht und ein wenig traurig.
Der Sommer, oder auch der Spätsommer sind vorbei. Nicht, dass ich das nicht schon an der früheren abendlichen Dunkelheit bemerkt hätte, oder daran, dass das Sitzen auf der Terrasse einen kalten Hintern verursacht und sogenannte Übergangsjacken die Sommerjäckchen ersetzen.

Übergangsjacken- blöder Ausdruck, aber doch so treffend. Wir gehen über zum Winter. Ich bin drastisch veranlagt, denn es ist ja gerade erst einmal Oktober, aber jetzt geht alles ganz schnell.

Im Supermarkt sind schon längst Spekulatius, Dominosteine und Co. zu finden. Mein Kalender erinnert mich daran, meine Reifen zu tauschen; ich mache im Auto abends schon mal die Sitzheizung an, Socken werden angezogen, die Heizung im Bad muss morgens wenigstens ein wenig heizen, das Laub vor dem Haus und im Garten macht mich irre (wir haben keinen einzigen eigenen Baum, sind aber von Fremdbäumen umstellt, die NUR und ausschließlich ihre Blätter auf unser Grundstück fallen lassen!)
und… mein Mais ist weg.
Das Jahr ist schon fast vorbei. Ein weiteres. Es war wieder einmal hektisch, stressig, kleine und große Hürden mussten genommen werden. Es gab Streit, Freunde haben sich getrennt, neue zueinander gefunden…
STOP.
Was fällt mir ein, kaum ist der Mais weg, findet sich der Blues ein. Ein Jahresresümee wird erst im Dezember gezogen!
Aber was ist so toll am Herbst und am Winter?
Die Zeit der Wärmflaschen und der 1000 Dinge, die übereinander gezogen werden, um zu überleben, beginnt nun.
Der Bewegungsradius wird viel kleiner, da Terrasse und Garten entfallen. Mein Abspeckplan wird durch Sofakuscheln, Rouladen, Eintopf, Rotwein, Gänse mit Kloß und Rotkohl oder Ragouts blockiert, und der Regen macht depressiv.
Da, schon wieder: Blues.
Oder? Sofakuscheln, Rotwein? Klingt doch gar nicht so schlecht. Sollte ich den nun folgenden Jahreszeiten doch etwas abgewinnen.
Spaziergänge in frischer klarer Luft? Ans Meer fahren und das raue Wetter und die tollen Farben dort genießen?
Habe ich genügend Winterschuhe und eine gute Winterjacke? Muss ich wohlmöglich shoppen gehen? Sind Netflix Abende oder Wochenenden mit dem Mann zusammen nicht großartig, und kann ein Abspeckplan nicht auch flexibel nach hinten verschoben werden?

Ich werde mir jetzt ein Maisfeldbild auf meinem Rechner als Hintergrundbild hochladen, dann kann ich von Zeit zu Zeit drauf schauen (das beruhigt), und ich werde anfangen, unseren Rotweinvorrat zu überprüfen.
Nur so zur Sicherheit…

Ihr Fräulein Lindemann

 

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