Gepäck.

Es gibt dieses eine Lied von Silbermond. Da heißt es:
Eines Tages fällt dir auf, dass du 99% nicht brauchst. Du Du nimmst all den Ballast und schmeisst ihn weg, denn es reist sich besser, mit leichtem Gepäck. Du siehst dich um in deiner Wohnung, siehst ein Kabinett aus Sinnlosigkeiten. Siehst das Ergebnis von kaufen und kaufen von Dingen, von denen man denkt man würde sie irgendwann brauchen.
So geht es mir auch regelmäßig.
Ich habe das Gefühl, ich ersticke. Manchmal befürchte ich auch, der Mann und ich könnten Messies werden, oder sind es schon. Das ist natürlich Quatsch, obwohl unser Nachbar, der alles immer wegschmeißt und dessen Keller minimalistisch eingeräumt ist, d.h. nur mit dem Wichtigsten. Was in diesem Fall Kölsch für ihn, Champagner für seine Frau (und mich) und Rotwein, falls seine Frau und ich mal wieder 1 Stündchen Sport benötigen, bedeutet.
Das verstehen Sie jetzt nicht?
Ich erkläre es kurz: 1 Glas Rotwein (Weißwein funktionierte nicht) ist wie eine Stunde Sport und setzt nicht an. Das haben die Nachbarin und ich- hier müsste es sogar ordnungsgemäß „Ex-Nachbarin“ heißen, weil beide, Ex- Nachbar und Ex- Nachbarin mit Ex- Nachbarshund, vor genau 6 Wochen und 2 Tagen aus- bzw. umgezogen sind.
Ich kann noch nicht gut darüber reden, es wühlt mich noch zu sehr auf. Hier sei kurz gesagt, ich schaue gerade wieder Ally McBeal, daher die Wortwahl, und zweitens versuche ich ein schlechtes Gewissen bei denen zu entwickeln (schwieriges Projekt),da sie uns mit einem Kinder-Juppi-Pärchen zurück gelassen haben, das sich noch nicht mal vernünftig vorstellen konnte, und das ich schon aus Prinzip total doof finde.
Zurück zum Ausmisten.
Wenn mich der Mann mit großen blauen Säcken in der Hand sieht, bekommt er schon eine leichte Panik, denn er weiß, jetzt ist es wieder so weit. Ich liebe Ordnung, manchmal bin ich allerdings auch latent gestört, denn ich schaffe es, Dinge vor mir hin und her zu schieben, Zentimeter oder auch nur Millimeter, und finde das sie genau dann „richtig“ stehen. Nur ich weiß was und warum ich das tue. Die Kinder und der Mann machen sich lustig. Damit lebe ich gut.
Ich habe meine Mutter beobachtet, die macht das auch, nur noch eine Spur irrer. Da muss man aufpassen, dass sie einem das Kissen unterm Hintern nicht umdekoriert. Also kann ich gar nichts dafür: es sind die Gene.
Der Mann hat andere Gene, seine haben eher etwas mit Verlustangst zu tun. Es sammelt alles und hebt es auf, weil man es irgendwann ja gebrauchen könnte. Bei ihm sind es auch dominant vererbte Anlagen, und auch hier sei zu sagen, im Vergleich zu seinem Vater ist er die „light-Version“.
Sein Vater hatte bis in die späten 90er Jahre noch Konserven und Dosen aus dem 2. Weltkrieg. Was da genau drin war und ob die Dosen sich schon miteinander unterhalten haben, weiß ich nicht, aber das ist nur ein Beispiel von wirklich vielen. Mit Telefonnummern hatte sein Vater es übrigens ähnlich gehalten- aufheben, man weiß ja nie. Auch wenn die PLZ noch 4 stellig war und man die Damen noch mit Fräulein angeredet hat.
Vielleicht muss ich auch nur so viel ausmisten, weil ich ein wenig der Gruppe der Sammler angehöre oder einfach nur unordentlich bin. Wir haben in der Küche so eine Schublade, da ist alles drin und regelmäßig platzt sie aus allen Nähten. Da sind dann Prospekte, Post, Taschentücher, Kekse, alte Einkaufszettel und vieles mehr drin. Warum erst packe ich alles da rein und nicht sofort in den Müll oder in die Ablage? Ich weiß es nicht, nur, dass mein Vater auch so eine Schublade hatte, und da drin zu stöbern war die pure Überraschung, da habe ich Mitte der 80er einmal einen Quelle Versandhauskatalog von 1976 gefunden, ich weiß noch wie sehr mich die riesigen Blusenkragen und der rote Mantel beeindruckt haben.

Ich habe noch ein paar Tage Urlaub, der Mann nicht. Das bedeutet, ich kann raustragen was ich möchte, ohne dass er den Müll inspizieren kann oder kleine Panikattacken bekommen wird.

Ich fahre jetzt los und kaufe neue Müllsäcke.

Ihr Fräulein Lindemann

 

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