Letztes Wochenende machten der Mann und ich eine Zeitreise.
Der Ort dafür war eine Lokalität mitten im Scheunenviertel der alten Berliner Mitte.
Ein altes Gebäude, das Weltkriegen und DDR getrotzt hatte, und den Spaß, die Verlustigung in den letzten 120 Jahren immer weiter aufs Neue gepflegt hatte, dessen Interesse es war, Menschen und ihren musischen Talenten eine Bühne zu geben, und sie zum Tanzen und Musikhören einlud, sie zusammen zu bringen.
Es gab noch alte Telefone, von denen man in der Vergangenheit von Tisch zu Tisch telefonieren konnte, um vom Objekt der Begierde den nächsten Tanz zu erbitten.
“Clärchens Ballhaus“ war pure Nostalgie, und man fühlte sich in die 20er zurück versetzt. Die 20er, in denen alles möglich und erst recht alles erlaubt war.
Für uns gab es an diesem Geburtstagsabend feste Tische, die auch schon auf Wochen ausgebucht waren. Man saß so eng wie die Hühner auf einer Stange. Der DJ eröffnete den Abend mit 70er/ 80er Musik, und etwas ältere Herrschaften starteten ihre Paartänze.
Wenn man meinen würde, Paartanzen sei eine Fragen des Alters und uncool, kann ich nur sagen: falsch. Es macht Spaß zuzusehen, und, es gibt Regeln, sodass auch 2 völlig Fremde harmonisch, und mal mit mehr und mal mit weniger Anmut über das Parkett schweben können.
Methusalem war an diesem Abend auch dort zu Gast.
Ein kleines, hageres, dürres Männlein, in schwarzer Hose und weißem Jackett, ausgemergelt und faltig wie ein chinesische Shar –Pei.
Das sage ich ohne jede Übertreibung.
Methusalem war bestimmt Mitte 90, allerdings, und hier kann sich so manch ein Tanzmuffel und Koordinationslegastheniker eine Scheibe abschneiden, eine wirkliche Tanzgranate und der geborenen Charmeur.
Er war in seinem ersten Leben sicherlich Eintänzer und auch jetzt noch war er in der Lage mit seiner Partnerin um die 69 zu tanzen, aber auch gleichzeitig nach jüngeren zu schauen, und diese auch anzutanzen , ohne jedoch seiner Haupttanzpartnerin weniger Aufmerksamkeit zu gönnen.
Wissen Sie was sein Eintänzer ist?
Ein Eintänzer war in der Zwischenkriegszeit ein Angestellter von Tanzschulen, der bei Tanzveranstaltungen weibliche Gäste zum Tanz aufzufordern hatte. Der Beruf kam nach dem Ende des Ersten Weltkriegs auf. Der Begriff Eintänzer änderte sich irgendwann in „Gigolo“, und seine Arbeit umfasste neben dem Tanzen auch andere, sagen wir mal so, Sonderleistungen.
Unser altes Männlein im Clärchens war, und da bin ich sicher sehr aufs Tanzen fokussiert und nicht an anderen Dingen. Und er war trotz des hohen Alters so fit, dass ich es beschämend zugeben muss:
ich komme nicht so schnell und elastisch in die Hocke und dann auch wieder hoch.
Er konnte das. Und nicht nur ein Mal.
Es ist 2 Wochen vor Sylvester und mal wieder Zeit für gute Vorsätze, ich sollte über ein Sportprogram nachdenken, vielleicht klappt es dann auch wieder mit der Mobilität, und ich komme runter in die Hocke ohne Gefahr zu laufen umzukippen,… oder bis in alle Ewigkeit in der Position sitzen zu bleiben.
Das wäre wohl jetzt der Fall.
Ihr Fräulein Lindemann