Fußball.

Meine ersten Erinnerungen an Fußball sind die Sportschau am Samstag, in denen mein Vater mit großem Interesse die Bundesligaergebnisse verfolgt hatte, und die Tatsache, dass Fußball unglaublich schmerzhaft sein musste.

Mein Vater hat, als ich etwa 7 oder 8 Jahre alt war, mit seinen Kumpels und Arbeitskollegen gelegentlich an Fußballturnieren teilgenommen. „Altherren“ nannten sie das damals, was ich nicht wirklich verstand. Übrigens auch heute nicht, denn mein Vater, der irgendwo Anfang bis Mitte 30 war, war sogar für mich damals kein alter Herr, das waren die Opas mit zurückgekämmten grauen Haaren, hässlichen Brillengestellen auf der Nase und riesigen Ohrläppchen.

Nach diesen Spielen konnte er sich kaum bewegen, kroch fast auf allen vieren die Treppen in den 2. Stock hoch, verschwand für gefühlte 3 Stunden in der Badewanne und blockierte das Badezimmer. Er erklärte mir, er sei zu alt für so etwas wie Fußballspielen.

Mir war zu dem Zeitpunkt das Wort Muskelkater völlig unbekannt und ich konnte auch nicht verstehen, dass es ohne ersichtlichen Grund, also ohne Zusammenstöße oder sonstige Körperkontakte, diese offensichtlich starken Schmerzen auftreten konnten, die am nächsten und am übernächsten Tag scheinbar noch stärker ausfielen.

Warum taten sich das erwachsenen Männer an, nur um etwas ledernes Rundes, an 11 gegnerischen Spielern vorbei, in das große Eckige zu schießen?
Dann und wann wurde gepfiffen, und wenn ein Schuss glückte, flippten alle total aus.

Älter werdend nervte mich Fußball im Fernsehen noch mehr, ich verstand die Regeln nicht und konnte diesem Hype um Männer in unmöglichen Turnhosen, hochgezogenen Stümpfen, beknackten Frisuren, gelegentlich dumpfe Kommentare abgebend, nichts abgewinnen.

2006 fing an alles anders zu werden. Ich lebte in Berlin und plötzlich machte ein englisches Wort, das es im Englischen überhaupt nicht gibt, die Runde und lud dazu ein, sich Spiele in der Öffentlichkeit anzusehen. Alle fieberten mit. Fußball verband, grenzte nicht aus, und Nationalstolz und Deutschlandfähnchen hatten keinen schalen Beigeschmack mehr.

Wir trafen uns in Mädelsrunden zum Fußball schauen, es gab Törtchen und rosa Sekt.
Wir jubelten lautstark und beurteilten die Spieler nach völlig neuen Kritikpunkten, bei denen nicht unbedingt ihre Spielerqualitäten im Vordergrund standen.
Der Fußball hielt Einzug in mein Leben und „zu Gast bei Freunden“ war mein Sommermotto.

Während dieser Weltmeisterschaft habe ich auch mein allererstes Fußballspiel in einem Stadion gesehen- Deutschland gegen Österreich in Wien. Ich bekomme noch immer eine Gänsehaut, wenn ich zurück denke- was für eine Stimmung!
Obwohl mir der Kommentator schon etwas fehlte, ebenso die Zeitlupen und die Wiederholungen.

Es dauerte noch einige Jahre und 2 Umzüge bis ich mich als Vereinsmitglied eines gerade im Aufstieg befindlichen 2. Ligavereins wiederfand. Nun gut, ich bin quasi über meinen Kopf hinweg angemeldet worden, und musste etwas zu meinem Glück gezwungen werden. Ebenso anfänglich zu den Pullis, Schals und Sitzkissen mit Vereinslogo.
Fand ich früher Frauen in Trikots irgendwelcher Mannschaften total bekloppt und sprach ihnen jegliche Fußballkompetenz ab, muss ich gestehen, dass mich Fußball auch gepackt hat. Im Stadion mitzufiebern ist großartig.
Sicherlich macht es auch einen Unterschied, ob man sich für einen familienfreundlichen, sympathischen, mit selten asozial verhaltenden Fans entscheidet, oder Teil einer Pyrotechnik affinen Kampftruppe ist, die sich am liebsten bei 4 Promille gegenseitig auf die Fre* haut.

Meine Lieblingsfarben sind Rot und Weiß, gerne auch geringelt.

Letzte Woche habe ich unser Maskottchen im Zoo besucht und nächsten Sonntag bin ich mit dem Mann und Freunden im Stadion und fiebere unserem Aufstieg in die 1. Liga entgegen, auch, wenn dann Tickets nicht mehr bezahlbar sind.

Können Sie eigentlich ein passives Abseits erklären?

Ihr Fräulein FC Lindemann

 

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