Das Gedächtnis.

Machen sich schleichende Reduktionen der Gehirnkapazitäten schon in meinem Alter bemerkbar, und muss ich nun hoffnungsvoll auf eine beidseitige Hirnspende warten?

Kennen Sie das auch? Manchmal rieselt es einfach durch. Seit einiger Zeit schreibe ich alles Wichtige, was mir in den Sinn kommt, schnell auf ein Post- it. Nur leider verhält es sich mit den Post-its so: sie entkommen. Mal fliegt einer hier her dann wieder dorthin, oder sie werden einfach unsichtbar und sind schlicht: weg. Ich schrecke allerdings auch nicht vor der gewagten These zurück, zu behaupten, dass sich Post-its ganz hinterhältig verstecken. Sicher, die Klebeintensität des oberen Randes der Rückseite steht sicherlich in Zusammenhang mit dem Fabrikat und dem Alter des Blocks, aber auch, wenn ich sorgsam einen zusätzlichen Tesafilm-Streifen verwende, ist das keine gesicherte Maßnahme um dem Verschwinden Einhalt zu gebieten.

Schlimmer jedoch, als die Post-it Verschwörung, ist der Zustand, den Gedanken während des Aufschreibewunsches bzw. des eigenen Präparierens mit Stift und Zettel, einfach wieder zu vergessen.

Ich rede gar nicht davon, dass mein Outlook Kalender voll ist mit an mich selbst gerichteten Erinnerungen und Deadlines, die mich in meinem Arbeitsalltag derzeit nicht ganz versagen lassen, sondern auch von super guten Ideen, für künftige Meetings oder Gesprächsstrategien, die in meinem Kopf stattfinden und mir Sicherheit im Gespräch geben sollen, sich dann aber als quasi einmalig herausstellen, und in der Güte und Qualität kein zweites Mal in die Gedankenproduktion eingehen. Nicht einmal in ähnlicher Form. Neulich erwischte ich mich auf dem Weg nach draußen Richtung Straße, und wäre da nicht der Müllbeutel in meiner Hand gewesen, hätte ich kapitulierend zurück ins Haus gehen müssen.

Was ist das nur? Die Namen von Angelinas und Brads Kindern, 6 an der Zahl, gehen mir geschmeidig über die Lippen. Vermutlich könnte man mich des Nachts wecken, und ich wüsste noch haargenau welche Farbe Julia Meyers Reithose bei unserem ersten Aufeinandertreffen hatte, oder wann ich zum ersten Mal La Boume geschaut habe und mich unsagbar in Pierre Cosso verknallte, so dass ich meiner Mitschülerin Franka 4 Wochen lang die Französisch Hausaufgaben besorgen musste, um ihren Bravo Starschnitt zu bekommen. Leider ohne seinen linken Fuß, aber das war egal, denn auch ohne den war es die Mühe wert.

Habe ich mir mit dem ganzen Unsinn meine Festplatte so zugemüllt, dass für nichts anderes mehr Platz ist? Und noch viel wichtiger: wie lösche ich das unwichtige Zeug und stelle sicher, dass wieder neuer Platz geschaffen wird- ohne besagte Erneuerung?

Vermutlich würden Sudoku oder Yoga helfen mich wieder besser zu konzentrieren und mich vom unendlichen Wahnsinns meines Jobs zu distanzieren, der, so ahnen Sie es wohl schon, nicht ganz unbeteiligt an meinem Malheur ist. Das ist selbstverständlich nur eine ganz laienhafte Diagnose, die keine fundierten psychischen Erkrankungssymptome oder irgendeine ärztliche Verifikation beinhalten. Dennoch, in unserer heutigen, rasend schnellen Welt, der ständigen Erreichbarkeit, bin ich bestimmt nicht die Einzige. Ja, ich meine immer, ohne mich läuft es nicht, und ich wäre meinem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet, aufgrund meines Gehaltes, eine gewisse Erreichbarkeit zu gewährleisten. Nun gut, hier ist die Frage selbstverständlich angebracht, ob er mich so gut bezahlt, dass dies Abende, Wochenenden und Feiertage beinhaltet? Der Mann im Hause verneint das, da mich diese Dinge von ihm fernhalten und es, so fern ich nicht in der Welt herumreise, die Zeit im gemeinsamen Heim auf ein Maß verkürzt, das in ihm, sagen wir mal so, kein wohliges Behagen auslöst.

Meine limitierte Festplatte, oder das seine eigenen Prioritäten setzende Hirn, hat im täglichen Leben die Ausmaße erreicht, dass ich manchmal befürchte, meiner Muttersprache nicht mehr auf dem Niveau gerecht zu werden, wie es mein persönlicher Anspruch verlangt. Durch ewiges Englisch sprechen, nein nicht in Jane Austin oder John Irving Qualität, simples Businessenglisch und dann und wann unnützer Small Talk schafft es, meine mir so geliebte Sprache zu verdrängen. Manchmal fallen mir Worte nur noch auf Englisch ein. Das wiederum in rein deutschen Dialogen für kurzes Augenbrauenheben sorgen kann, weil ich wie einer dieser bekloppten “ ìch verenglische alles und es klingt so sophisticated Leute“ angeschaut werde. Zu Recht! Wenn es nur noch Challenges und keine Herausforderungen gibt, oder die Responsibilities die Verantwortung verdrängen.

Ganz große Klasse ist die Situation, wenn ich das Wort nur noch in meinen Gedanken vor mir habe, weiß wie es aussieht und es sich anfühlt, es aber weder in der Deutschen noch in der englischen Sprache herausbringe.

Zur Belohnung und für die komplette Konfusion hatte ich letzte Woche meine erste Italienisch Stunde bei Signora Germana…

Ihr Fräulein Lindemann

 

 

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