Abhängigkeit.

Die Definition von Abhängigkeit lautet folgendermaßen:

Ạb·hän·gig·keit – Substantiv [die] 1. der Zustand, dass jmd. von jmdm. abhängig ist.

Oder ein Synonym für: Unselbstständigkeit, Hörigkeit, Unmündigkeit, Bevormundung, Fessel, Knechtschaft, Sucht.

Wir erinnern uns noch an meinen Skiausflug? Und das dazugehörende gebrochene Sprunggelenk?

Ich kann sagen, das Haus vom Mann und mir ist nicht Behindertengerecht, wohl auch nicht Altengerecht, was bedeutet, der Mann und ich werden hier nicht als alte, klapprige Rentner leben können, es sei denn wir bewohnen nur noch die Küche und das Wohnzimmer, und begnügen uns mit dem Gäste–WC für jegliche Form der Körperhygiene. Gut, dann muss man auch weniger putzen, oder halt auch gar nicht, weil der Staubsauger auch im Keller steht. Wäre das ein Vorteil, und wir sollten darüber nachdenken?

Egal. Zurück zum gebrochenen Sprunggelenk. Damit darf man nach einer OP selbstverständlich erst einmal nicht auftreten, das bedeutet: Krücken her, oder wie es korrekt heißt: Gehhilfen her. Und das für einige Zeit.

Meine Arme und Schultern waren dies selbstverständlich nicht gewohnt und reagierten darauf recht empört. Dies brachten sie mit überdurchschnittlich starkem Muskelkater zum Ausdruck. Zusätzlich braucht man in dieser Situation Mut zur Langsamkeit und zur Improvisation. Wie also transportiert man mit Krücken eine Tasse Kaffee vom Caféautomat in der Küche die 3,5m zum Sofa, was der neue zentrale Platz im Haus war, quasi die Schaltzentrale? Schwierig, nicht trivial und ganz klar eine Frage der Balance und der korrekten Hüpfintensität.

Interessant wird es, wenn der Mann 4 Tage nach dem operativen Eingriff das Land für 2 Tage verlassen muss, sicherlich ein wenig froh, der leidenden und eingeschränkten Frau für kurze Zeit zu entkommen. Was macht Frau da? Mutti anrufen! Die selbstverständlich sofort anreist.

Da wird man flügge, zieht aus, lebt viel Jahre alleine oder mit dem Mann und ist „groß“ und was macht man in Ausnahmesituationen? Back to the rootes- Mama muss her.

Meine Mutter, fröhlich motiviert 2 Tage mit ihrer einzigen Tochter zu verbringen, war nach den ersten 50 Minuten schon total geschafft, und ihr Elan, mir alles abzunehmen und mir jeden Gang mit Krücken zu ersparen, brachte sie recht zügig außer Atem und ließ sie sicherlich eine recht imposante Anzahl an Kalorien verbrauchen, die sie sonst nur in 2 Stunden Dauergymnastik verbrannt hätte.

Sie war tapfer und ließ sich nichts anmerken.

Aber was ist mit mir? Abhängig.

Da es sich um den rechten Fuß handelte, kommen Autofahren & Fahrradfahren nicht infrage–hier wäre es eigentlich auch egal um welchen Fuß es sich handelt. Mofa fahren geht auch nicht.

Einkaufen, zum Arztfahren, zur Krankengymnastik gehen oder berufliche Reisen kommen nicht infrage. Haben Sie schon einmal versucht mit einem empfindlichen Fuß, der noch stocksteif am Ende des Beins hängt, einer frischen Narbe in einen engen superchicen Thrombosestrumpf zu gelangen? Und ist man erst einmal nach schweren Anstrengungen drin, wie kommt man nur wieder raus? Und wer hat überhaupt entschieden, dass diese Dinger weiß sein müssen?

 Aber hat ein gebrochener Fuß auch Vorteile?

Ich muss nicht Staubsaugen, kein Leergut wegbringen, vorm Haus nicht fegen, den Tisch nicht decken, und abräumen ist auch schwierig.

Ich bekomme Besuch und viele Blumen. Freunde bringen Kuchen und Süßigkeiten vorbei, helfen mir in die Jacke und fahren mich überall hin. Der Mann macht mir Geschenke. Auf der Autobahnraststätte schließt man mir die Tür auf und lässt mich das blitzeblanke Behinderten-WC benutzen. Beim Fliegen wird man mit einem Golf Car von a nach b gefahren und immer hilft jemand mit dem Koffer.

Im Shoppingcenter kann man einfach im Weg stehen bleiben, böse gucken und alle gehen an die Seite und machen Platz.

Diesen Zustand werde ich noch 2-3 Wochen ausnutzen, die Entschleunigung genießen, Zuhause mit ein wenig Unordnung und einigen Krümeln mehr als gewohnt zu leben lernen und dann das Leben zukünftig entspannter genießen und meinen rechten Fuß wieder mehr zu schätzen wissen.

Ich hoffe nur, der Mann bleibt gesund.

 

Ihr Fräulein Lindemann

 

 

 

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