Wann war man cool als Teenager, und was war cool?
Lila gebatikte Babywindeln um den Hals zu tragen, Haarspangen mit Riesenschleifen aus Samt im Haar zu haben, und Reißverschlussohrringe im Ohr, sowie tausende von Lederbändern ums Handgelenk, die dadurch, dass man sie beim Duschen, Schwimmen und Baden nicht abnehmen konnte, irgendwann eine ganz eigene Patina und ihren ganz speziellen Eigengeruch entwickelt haben. So in etwas muss es auch Wolfgang Petrys Freundschaftsbändern ergangen sein.
Leider gehörte ich nicht zu den „cool Kids“, und hatte eher ein gespaltenes Verhältnis zu Mode, auch der Einschränkungen, was meine Mutter zu unterstützen bereit war.
Mein Style änderte sich mit 15-16, sicher auch durch in Nebenjob erworbenes Taschengeld, das die Kleidungswahl etwas flexibler gestalten ließ.
Enge Jeans, hochgekrempelt, coole Jeansmarken, Taschen auf dem Hintern eine Selbstverständlichkeit und knöchelhohe Adidas Trophy an den Füßen- das war meine perfekte Vorstellung. Die Realität sah allerdings die getragenen 501 meines Cousins in Überlänge vor, oder auch Bundfaltenjeans ohne Taschen! Und ohne erkennbaren Brandnamen, viel zu dunkelblau und mit den falschen Nähten.
Ich überlebte diese Zeit mit einigen kleinen Blessuren und der Tatsache, niemals eines der begehrenswerteren Mädchen der Klasse gewesen zu sein, und dem Makel beim Tanzkurs mit dem „Ersatzjungen“ tanzen zu müssen, der extra gebeten wurde beim Abschlussball mitzumachen, da die Anzahl der vorhandenen Jungs geringer war , als die der Mädchen. Und ich keinen aus der bestehenden Runde mehr abbekam.
Vielleicht lag das auch in der Zeit an der Tatsache, dass ich meine Liebe zur Brille entdeckte und mich super damit fand (niemand anders fand das auch), und ich mein übergroßes Horngestell mit großem Selbstbewusstsein und absolutem Selbstverständnis trug. Immer.
Mit 15 entwickelte ich zum ersten Mal eine Art eigenen Stil. Der Tatsache geschuldet, dass kuschelige Marc´O Polo Sweatshirts, Replay und Diesel Jeans, Oilily Pullover und Schals nicht dem Budget meiner Eltern entsprachen, entwickelte ich meine Vorliebe für Second-Hand Klamotten. Erhältlich zum Kilopreis!
Lange Opa-Hemden, Herrenschals und Parka, gemischt mit der angesparten In-Jeans, ließen mich plötzlich cooler wirken als ich war. Die Zeit der Brille war vorbei und wurde nur mehr im Bedarf und im Notfall aufgesetzt.
Die Haare wurden länger und ich machte einen Rollerführerschein.
Mit 16 kaufte ich eine Vespa 50N spezial- mein Weg in die Freiheit und in die Rollercliquen.
Plural? Ja, denn ich war quasi ein Hybrid-Roller-Mädchen. Ich gehörte den Mods SOWIE den Poppern an. Das hatte viele Vorteile. Irgendwer brachte mich immer nach Hause oder hatte Zeit, wenn mein Opa es nicht hatte, meinen Roller zu reparieren.
Ich fing an Klamotten mit Freundinnen zu tauschen, wir tauschten fast alles, auch Schuhe. Das brachte Flexibilität und Nähe zu Klamotten, die ich nicht besaß. Zu alle dem fand ich es nur gerecht, auch mal im Kleiderschrank meiner Eltern zu stöbern. Ich hatte scheinbar ein gutes Auge für teure Dinge und entschied mich für ein unglaublich schönes Halstuch meiner Mutter. Da ich es an ihr nie gesehen hatte, war klar, sie würde es eh nicht vermissen.
Im Wissen, dass sie mit meiner Wahl sicher nicht einverstanden war, richtete ich eine Art Ersatzkleiderschrank in der Garage ein. Eines Tages erwischte meine Mutter mich beim Umziehen in der Garage (vom Klamottentausch hielt sie gar nichts) und fischte empört ihr Halstuch aus meinem Rollerhandschuhfach. Das gab ein Theater! Sie trug es kaum, weil es ein kleines Vermögen gekostet hatte. Ihr Fund hatte viele Konsequenzen für meine nächsten Wochen.
Beim Herrenpullover meines Interesses war ich schlauer. Ich schlug ihn ein und nähte dicke Knöpfe drauf. Als Strickjacke getarnt, und selbst vom Besitzer nicht mehr zu erkennen, konnte ich ihn bedenkenlos tragen. Das einzige Problem war, es war halt keine Strickjacke, und ich schwitze mir den Hintern in der Samstagabendlichen Disco ab, und auf verschiedene Nachfragen, warum ich meine Jacke nicht aufknöpfen würde, konnte ich nur, mit leichten Schweißperlen auf der Stirn, antworten, mir wäre nicht warm.
Mit 14 wollte ich unbedingt eine Swatch. Mir war fast sch…egal wie sie aussah, ich wollte nur endlich das digitale Quarzteil, das, wenn man schwitzte, auf dem Handgelenk anfing Rostspuren zu hinterlassen, loswerden.
Der Preis war damals 65 DM- unmöglich für mich zu finanzieren. Ich machte meinen ersten Kompromiss und kaufte in einem Surfer- Shop eine Swatch in Damengröße (viel zu klein!) mit einem unglaublich hässlichen Muster für 35 DM. Aus dem Kompromiss lernte ich, und ich kann sagen, dass ich mich auf solche Deals nicht mehr einlasse. Ich habe die Uhr trotzdem geliebt und vor allen Anfeindungen verteidigt. (Leo-Muster und rotes Armband- Sie können mir glauben, da gab es viel Spott)
Das alles ist jetzt eine geraume Weile her, und ich habe mich oft gefragt, was aus den wirklich coolen Mädchen und Jungs geworden ist.
Vor ein paar Wochen trudelte eine Einladung zum Klassentreffen ein, das wird in einigen Wochen stattfinden.
Ich bin sehr gespannt…, aber alles weitere in einer anderen Episode.
Ihr Fräulein Lindemann